Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Donnerstag, 22. Mai 2014

Erinnerungen einer alten Autistin II

Das Kinderbuch "Klein Pear", Vorsatzpapier
Eleanor Frances Lattimore. Thienemann Stuttgart, 1950
Ich sprach von meinem Tageslauf, bevor ich zur Schule kam. Ich hatte zu tun. Aus der Zeitung erfuhr ich, nachdem ich mit ihrer Hilfe lesen gelernt hatte, von Ereignissen in der ganzen Welt, ein paar Jahre später las ich vom Untergang der Pamir und dem Tod einer großen Zahl junger Kadetten, was mich sehr mitnahm, und von der Einnahme Tibets durch die Chinesen. China war mir durch ein Kinderbuch schon ein Begriff, durch die Geschichte von "Klein Pear".  Ich las "Die Welt", hörte meine tägliche Jazz-Sendung aus dem riesigen Holzkasten mit seidig strukturierter Bespannung und sah das grüne Auge dazu zucken.
Stefan Riepl (Quark48)

Das "magische Auge" -- let it shine
 

Es zuckte besonders heftig bei den dramatischen Bläserfanfaren, die zu den Songs mit Frank Sinatra zu keinem Ende kamen, was ich nicht mochte; meine Lieblinge waren auch die meiner Mutter: Ella Fitzgerald und Louis Armstrong. Ich inhalierte meine täglichen Jazzgaben auch nach der Einschulung. Meine Eltern pflegten einen Nachmittagsschlaf zu halten, bei dem sie höchtstwahrscheinlich nicht immer schliefen. Sie waren jedenfalls immer aufgeräumter Stimmung, wenn sie aufgestanden waren, und lobten mich, dass ich so brav und leise gewesen war, was man auf das Radio zurückführen konnte, dem ich unter dem Wohnzimmertisch lauschte, das war ein dreifüßiger Biedermeiertisch. Seine Platte war arg zerfurcht, meine Mutter behauptete, die Rotarmisten hätten auf der Furnierplatte Brot geschnitten, sie kann es gewusst haben, sie hatte 1945 bei ihnen gearbeitet.

Auf einen der Ausläufer des flachen Fußes legte ich ein dickes Kissen und saß in dieser Laube als zufriedene Zuhörerin des Nordwestdeutschen Rundfunks, wie er damals hieß. Es gab ja auch noch den Kinderfunk, den eine läppische Melodie einleitete, tänzelnde Flöten, die zu schwachsinnigen Comicfiguren gepaßt hätten. Oder es gab den betulichen Schulfunk, "Neues aus Waldhagen" und den "Kleinen Tierfreund". Eine weitere Lieblingsbeschäftigung fand oberhalb des Tisches statt, es war die Lektüre des Wilhelm-Busch-Albums, einer zerfledderten Ausgabe von sicher 60 Jahren Alter, die am Anfang von einem prächtigen Kupferstich mit dem Porträt des Künstlers eingeleitet wurde, dazu verschnörkelte Buchstaben und ein Text in Fraktur, den ich ebenfalls schon vor der Einschulung zu lesen imstande war. Die Fähigkeit zu lesen hatte ich schon mit 4 erworben, was meinen Eltern eigentlich nicht recht war. Da ich aber drängelte, dachte mein Vater, es könne nicht schaden, wenn er mir wenigstens ein paar Buchstaben verriet. Ich schrieb also EVA und besaß damit drei Buchstaben. Ich entdeckte einen davon in einem Schriftzug über der Tankstelle, die sich damals an der Ecke Esplanade/Neuer Jungfernstieg befand. Dieser lautete ESSO und lieferte mir weiter nützlichen Stoff. Das dritte Versatzstück war DIE WELT, und damit hatte ich eine solide Grundausstattung, die mich zu weiteren Besitztümern führte. Mit der Verfügung über diese Buchstaben war ich wenige Monate später auch schon in der Lage, eigene Sinnkomplexte zu synthetisieren, und somit war ich in der Lage, meinen Zeichnungen Sprechblasen zuzuordnen und auszufüllen, was ich als sehr nützliche Erfindung aus den Comics der Hausmeister-Jungs kannte.

Es gab inzwischen auch einen kleinen Bruder. Wie es meiner Mutter in dieser Zeit ging, blendet sich aus meiner Erinnerung aus; weder wußte ich von ihrer Schwangerschaft noch von der Tatsache, dass Kinder von Frauen geboren werden. Plötzlich war da ein kleines Kind, in das ich sofort verliebt war, und ich stopfte eilfertig die karierte Decke um seine Füßchen herum fest. Merkwürdigerweise habe ich eine absolut klare Erinnerung an das blaue Karo, aber keine an sein Gesicht.
Ich war glücklich über die Ankunft des kleinen Bruders, und das waren auch die Eltern. Es hieß, meine Mutter hätte damals wieder zu lachen angefangen. Wie auch immer man das auslegen mag.
So etwa hätte das aussehen sollen,
wenn ich nicht aus der Reihe
getanzt hätte

Ich war ein einsames Kind mit mangelhafter Sozialisation. Mein Umgang waren überwiegend erwachsene Verwandte und Freunde und die meist schon sehr viel älteren Kinder dieser Verwandten. Meine Mutter pflegte Kontakte mit der estnischen Landsmannschaft, die in einem der unteren Räume der Evangelischen Akademie eine Kindertanzgruppe aufbaute, damals könnte ich vier oder fünf Jahre alt gewesen sein. Die Leiterin hieß Pärja Inari und war eine wundervolle Frau, mit der meine Eltern sehr gern Kontakt hatten. Die Idee war, dass ich hier ein wenig Anschluß an andere Kinder finden und auch vielleicht Estnisch lernen könnte. So war ich einmal dabei, als die ersten Schrittchen eines Tanzes gelernt wurden. Sofort stellte sich heraus, dass ich aus der Reihe tanzte, was verwunderlich war, weil ich doch schon Anzeichen einer musikalischen Begabung zeigte und alle Lieder rhythmisch und mit der richtigen Tonhöhe singen konnte. Doch so zu tanzen wie die anderen Kinder gelang mir nicht. Pärja Inari beugte sich über mich und umfasste meine Beinchen und versuchte, sie im Takt zu setzen, aber ich muss mich wohl, ohne es zu wollen, gesperrt haben. Sie seufzte und sagte in freundlichem Ton: "Nun, dann hat das wohl keinen Zweck." Ich war erleichtert, wieder an meine eigene Beschäftigung gehen zu können, und ich habe bis heute nicht die Fähigkeit erlangt, in vorgegebenen Schrittfolgen zu tanzen.


Mittwoch, 21. Mai 2014

Sagte jemand, sie sei interessiert?

Das ist natürlich sehr schmeichelhaft. Also erzähle ich ein bisschen aus dem Leben einer nicht diagnostizierten Autistin, die inzwischen die Mitte 60 erreicht hat.

Erinnerungen einer alten Autistin Teil I


Ja, wo fange ich an? Als ich aus dem Elternhaus ging, denke ich mal, denn das ist ja immer der Beginn einer Eigenexistenz.
Ich habe noch lange bei den Eltern gelebt, das war meine beschützende Werkstatt. Auch noch mit Staatsexamen I in der Tasche. Aber langsam wollten sie mich loswerden.
Sie machten sich Sorgen, was "aus mir werden sollte", denn ich war eine versponnene, chaotische junge Frau, die es nicht auf die Reihe kriegte, ihr Zimmer aufzuräumen, aber erstaunliche Bilder malte. Als ich dann eine eigene Wohnung nahm, fing das gleich mit einem Missverständnis an, ich habe nicht begriffen, dass das nur auf Zeit war -- die Vermieterin hatte sich da etwas kryptisch ausgedrückt, aber ich kam nicht auf die Idee, da misstrauisch nachzufragen. Ich war extrem blauäugig und schlecht auf das Leben vorbereitet. Ich hatte einen Lehrauftrag für Kunst und unterrichtete mehr schlecht als recht. Damals waren die Leistungsanforderungen noch viel lockerer als heute. Ich war ja Pastors Tochter im Ort, da gab es dann Förderung.
Also, ich versuche, nicht so auf Gutdünken über mich zu reden, sondern die typischen Autismusprobleme zu beleuchten.
Ich war extrem gutgläubig und ließ mich ausnutzen und hatte teils auch noch Spaß dran. Es gab Leute, die regelmäßig bei mir ein und aus gingen, weil mein Kühlschrank immer voll war. Ich hielt mich für sexuell emanzipiert (Mitte der Siebziger war das auch nicht schwer), weil ich mir jeden nahm, der mir gefiel, aber später habe ich begriffen, dass ich dafür verachtet wurde. Mein Leben war weiterhin chaotisch, meine Grundstimmung seelisch meist überfordert. Ich verliebte mich oft und fast immer in Ungeeignete. Auf die meisten Ereignisse reagierte ich heftig, panisch, aggressiv oder sonstwie unangemessen und stellte durch einen Horrortag fest, dass durch Drogen meine ohnehin leicht hysterische Grundhaltung völlig kippte.
Ich ging dann ins Referendariat, merkte aber, dass mich ein Teil der Seminarleiter überhaupt nicht als Lehrer haben wollten. Einer fragte mich: "Können Sie nicht kleine Bildchen malen?" Ich war sehr gekränkt, teils, weil malen ja das war, was ich am liebsten getan hätte, und es war für mich ein großer Schmerz, dass ich davon nicht würde leben können -- das war mir klar. Dazu kam die Herablassung in der Weise, wie er mir das sagte.
Er hatte wohl keine Ahnung, dass diese Beschäftigung einige Jahre später tatsächlich ein Zubrot sein würde.
(Fortsetzung folgt vielleicht)

Donnerstag, 27. März 2014

Schmiede das Eisen, solange es heiß ist -- oder: Autistische Kinder unter dem ABA-Hammer

Ich verstehe ja nichts von ABA, lese nur hier und da, dass dadurch Kinder verschiedene Dinge gelernt haben, die sie vorher nicht konnten. Man hat den Eindruck, dass die Vertreter von ABA es eilig haben, sie wollen die kostbare Zeit nutzen, solange das Kind noch klein ist.
Es mag ja im allgemeinen stimmen, dass Kinder in der frühen Kindheit die größten Fortschritte machen und dass das Gehirn später nicht mehr so aufnahmefähig ist.
Mir scheint aber, dass man diese Aussage bei Autisten aus zwei Gründen modifizieren muss, und eine dieser Aussagen hängt mit der "Theorie von der Intensiven Welt" zusammen. Die Autoren behaupten und belegen, wie in den angegebenen Quellen nachzulesen ist, dass das autistische Gehirn im Gegenteil zur üblichen Ansicht Ruhe braucht, um nicht in seine Inselbildung zu verfallen, die ein Not-Aus für das überwältigte Kind bedeutet.
Das Kind wird also nach seinem eigenen Tempo lernen, wenn man es in Ruhe lässt.
Wenn es bestimmte Dinge nicht lernt, also z.B. nicht spricht, hat es vielleicht seine Gründe, und das darf uns nicht beunruhigen. Denn da das Gehirn hyperplastisch ist, also auch noch in späterem Alter weit lernfähiger ist als das neurotypische Gehirn, kann alles Mögliche an Lernstoff nachgeholt werden, wenn der einzige Lernantrieb da ist, der ein autistisches Kind bewegen kann, nämlich Motivation.
(Wir Autisten sind nämlich verdammte Genussmenschen, wir tun nur, was uns Spaß macht, aber das machen wir dann so überwältigend gut, dass immer noch genug für die Gesellschaft abfällt. Wir tun es nur nicht dann, wenn man es von uns erwartet. Aber das ist ja nicht unsere Schuld ;-) )
Jedenfalls habe ich trotz einer 5 in Mathe im Abi mir selber beigebracht, wie man Dreisatz-Rechnungen mit Bogengraden und -minuten rechnet; mit 50 kam ich in einem Test auf eine durchschnittliche Begabung für Mathe.
Wer macht sich da denn nass, wenn sein Aspie-Kind beschlossen hat, dass es erst einmal der Welt noch nichts zu sagen hat? Vielleicht wartet es nur auf einen Grund zum Reden.

Auszug aus einem Kommentar zur einem Artikel der ZEIT online:
http://www.zeit.de/.../03/autismus-kinder-verhalten/seite-1
"Die hier vorgestellte Therapie empfinde ich als grausam, weil sie dem Kind jede Form von Autonomie und Würde untersagt. Es ist in der Tat eine Dressur. Dass dabei positive, messbare Ergebnisse erzielt werden, ist aus meiner Sicht kein Beweis für ihren Erfolg. Inwieweit sich das Ganze am Ende traumatisch auswirkt, ist eine Frage, die hier nicht hinterfragt wird. Dass diese Methode der typisch amerikanischen Mentalität entspricht, ist außerdem kein Zufall. Ich frage mich: Wie soll ein autistisches Kind lernen sich in andere hineinzuversetzen, wenn es die gleiche Erfahrung selbst nicht macht? Des weiteren fehlt mir, dass auch ein autistisches Kind die Erfahrung machen darf, dass es so, wie es geboren wurde, liebenswert und richtig ist."

Dienstag, 25. Februar 2014

Mimik als Eintrittskarte

Die Autorin mit 8 Jahren, nach langen
vergeblichen Aufforderungen zu lächeln
Die Autorin mit 27, immer noch
in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit




Ist es nicht verblüffend, wie verschieden wir uns selbst und andere uns sehen? Die Mimik, die in unserer Gesellschaft als verbindlich und freundlich angesehen wird, ist zum Teil eine kulturelle Verabredung, die gelernt wird, und zwar in einer recht frühen Lebensphase. Es gibt aber auch mimische Zeichen, die angeboren sind, zum Beispiel das Augenbrauen-Hochziehen, wenn man jemanden erkennt, das ist auf der ganzen Welt in allen Kulturen nachgewiesen. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Strukur des autistischen Gehirns die mimischen Zeichen nicht erfassen KANN oder ob sie verpasst werden, weil das autistische Kind mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist.

Tatsache scheint aber zu sein, dass die "verbindliche, freundliche Kontakt-Mimik" die Eintrittskarte für fast alle Typen von Gesellschaft ist, ob nun Freundeskreise, Seminargruppen, Bewerbungsgespräche, Vereins-Beitritte, überall kommt es offenbar viel mehr auf die Zeichen an, die wir mit Augen, Mund, Gesichtsfalten, Haltung, Händen vermitteln, um zu zeigen, dass wir dazugehören wollen und können, als auf Talent und Qualifikationen.
Wer das nicht beherrscht, bei dem wird vermutet, dass er an der Zugehörigkeit nicht wirklich interessiert ist oder die nonverbale Kontaktsprache nicht beherrscht. Autisten sind vor allem dafür bekannt, dass sie nicht in die Augen schauen. Das wird von den NT (Neurotypischen) als Unehrlichkeit gelesen. Forscher vermuten wiederum, dass der Blick in die Augen dem Autisten zuviel abverlangt, dass -- wie es auch in der Theorie der "Intensiven Welt" ausgesagt ist, der Blick in die Augen eines anderen Menschen zu intensiv ist für den Autisten. Es ist ein Kontakt, der zu intim sein kann, und man darf auch nicht vergessen, dass es unter Tieren ein Akt der Aggression ist, einem anderen direkt in die Augen zu sehen. Tiere vermeiden es, einen Artgenossen durch diese Konfrontation zu reizen; Sie haben es sicher schon oft erlebt, dass Ihr Hund oder ihre Katze Ihrem Blick ausweicht.
In die Augen zu sehen ist also im zwischenmenschlichen Kontakt ein Signal, dass Sie sich einer Konfrontation stellen können. Sie zeigen damit, dass Sie bereit sind, einen Konflikt auszuhalten. Es ist also eigentlich ein aggressives Signal, das aber notwendig ist, um in eine Gemeinschaft von Homo Sapiens aufgenommen zu werden, in einen Club, in eine Firma, in eine Familie. Wenn Sie jemanden fragen, warum es wichtig ist, dass man sich in die Augen sieht -- zum Beispiel, wenn man die Hand drückt oder mit dem Glas anstößt --, dann wird als Grund wahrscheinlich die Ehrlichkeit angeführt. In Wirklichkeit haben Sie aber ein Individuum darauf überprüft, ob es aggressiv genug sein kann, um für die Gemeinschaft einzustehen.
Der Autist ist ein Einzelkämpfer. Weder ist er sonderlich daran interessiert, für die anderen einzustehen, noch erwartet er diese Art des Opfers von anderen. Darum geht er bei Augenkontakt eher davon aus, jetzt einem aggressiven Blick auszuweichen, wie eine Katze es tut, wenn ihr nicht nach Konfrontation zumute ist.

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Rache ist billig

Anglismen und Amerikanismen sind vor allem beim Sprechen ärgerlich, weil man dabei einen ganz anderen Klang erzeugen muss als beim Deutschen. Schon damit wird das englische Wort zum Fremdkörper. Auch führt die ganz andere Einbettung vieler Wörter in Redensarten und in die Grammatik zu Verschiebungen der Bedeutung gegenüber dem Originalgebrauch. Das ist als wollte man Öl und Wasser mischen, es gibt immer Schlieren auf der Oberfläche.
Übrigens habe ich überhaupt nichts gegen das Englische, ich habe just in einem Grammar Test 97% erzielt, und der war für Amerikaner gedacht, der Durchschnittserfolg lag bei 91%. Gerade darum machen viele Anglismen im Deutschen mich krank. Ich denke da nur an die modischen "Body Bags", was aber "Leichensack" bedeutet.
Oder die Payback-Aktionen von Supermärkten, die sich also auf diese Weise an ihren Kunden rächen wollen.
"Payback" heißt "Rache".
Haben wir das verdient?

Dienstag, 29. Oktober 2013

Je weniger logisch, desto langlebiger

Auch eine kleine Maria (mein zweiter
Vorname) mit blonden Haaren und
blauen Augen
Legenden halten sich mit einer solchen grauenhaften Hartnäckigkeit, dass man am Verstand der Menschen noch mehr zweifeln möchte, als man es sowieso schon tut. Da haben die Behörden in Griechenland eine kleine Maria aufgegriffen, die sich von den Menschen, bei denen sie lebt, krass im Äußeren unterscheidet. Die Eltern von sehr dunkler Hautfarbe -- die leiblichen Eltern können das nicht sein, schloss die griechische Polizei messerscharf. Und wenn sie es nicht sind, müssen sie das Kind gekidnappt haben.

Ich finde, diese Begebenheit stellt den Behörden am Rande Europas ein grauenhaftes Zeugnis aus. Haben die niemals zwei wesentliche Punkte in ihrer Schulung genossen? -- Moderne Informationen über Europas Minderheiten, wenigstens grobe Grundfakten über ihre Situation und die Vorurteile gegen sie sollten doch inzwischen zur grundlegenden Schulung von Staatsdienern in der EU zählen, genau wie der Grundsatz einer vorurteilsfreien Ermittlung aufgrund der reinen Faktenlage. Nein: "Zigeuner entführen blonde Kinder."

Dazu fallen mir gleich ein paar Fragen ein:
-- Haben sie es nötig, sich noch mehr Belastung aufzubürden, in ihrer materiell und sozial angespannten Lage?
-- Können sie es sich bei den sowieso schon bestehenden Vorurteilen der ansässigen Bevölkerung leisten, etwas zu tun, was ihnen noch mehr Hass einträgt?
-- Wie kommt es zu der verrückten Idee, sie hätten es gekauft? Im Gegenteil, eigentlich hätte die leibliche Mutter Kostgeld bezahlen müssen, was sie aber nicht konnte.
-- Warum sollten sie ein blondes und blauäugiges Kind bevorzugen? Das Vertraute ist uns doch oft lieber als das Fremde. Dieser Gedanke, dass "die Zigeuner unbedingt ein blondes Kind stehlen wollen" ist mit einer geradezu mittelalterlichen Unreflektiertheit Ausdruck von Ethnozentrik. Er gehört ebenso zum Grundbestand des faschistischen Denkens.

Inzwischen sind die Eltern von Maria gefunden. Es ist ein Elternpaar, das sein Kind bei dem Roma-Paar besser aufgehoben sah. Auch sie sind viel dunkler von Teint als Maria. Wer glaubt, dunkelhäutige, schwarzhaarige Menschen könnten keine blonden Kinder haben, der kann sich ja mal in den Dörfern Süditaliens umsehen, hier geistern noch ein paar normannische Gene herum, und Familien mit dieser Farbverteilung habe ich in den Sechzigern selber gesehen. Diese Kinder werden später dunkel, hörte ich. In diesem Fall scheint es sich um eine Tendenz zum Albinismus zu handeln.

Vielleicht sind auch Marias Eltern Roma, so wie die Pflegeeltern. Das Vertrauen, das da herrschte, lässt da vermuten; gelesen habe ich es nicht (Update: Sie ist ein Roma-Kind. Haha!). Diese Menschen, die sich die Mühe gemacht haben, auch für Maria zu sorgen, die ihr sogar ein hübsches Eckchen um ihr Bett eingerichtet haben, sind noch in Haft, weil man ihnen Missbrauch von Kindergeld vorgeworfen hat. Vielleicht haben sie einfach eine weniger bürokratische Auffassung davon, zu welcher Familie welches Kind gehört.
Und sie sollen sie zum Betteln geschickt haben. Wer sich darüber aufregt, den möchte ich fragen, ob er bereit wäre, Marias Pflegevater als Hausmeister anzustellen. Nein? Nun, welche Jobchancen bieten sich ihm dann noch?
Genetische Abstammung wird überschätzt. Bei den Innuit war es Gang und Gäbe, dass man Kinder eines Clans, unbeachtlich der leiblichen Herkunft, unter den Elternpaaren verteilt hat, damit die gute Versorgung aller gewährleistet war und damit kinderlose Paare auch eine Chance hatten, Kinder im Umfeld zu haben, die im Heranwachsen auch Helfer bei der Jagd wurden.

Was lehrt uns diese Geschichte?
Es gibt noch unendlich viel aufzuarbeiten in Europa. Vorurteile und die Benachteiligung unserer Minderheiten sind der Grund, wenn Europa an vielen Stellen nicht auf der Höhe der Zeit ist. Gerade die Menschen, die im Dienst des Staates arbeiten, wie die Polizei oder Armeen, müssen in dieser Hinsicht dringend geschult werden. Dafür sollte die EU-Komission Richtlinien erarbeiten und durchsetzen statt Apfelgrößen zu normieren.

Über diese Geschichte in der Süddeutschen

Mittwoch, 31. Juli 2013

Alkaholiker?

Man begegnet ihm fast überall, auch wenn er nicht ständig so genannt wird: Der Workaholic. So die offizielle Schreibung. Erstaunte Fragen: Wieso nicht Workoholic, wenn es doch von Alkohol und nicht Alkahol abgeleitet worden ist?
Nein, im Land of the Free hat man sich die Freiheit genommen, es mit a zu schreiben. Auch das mag Freiheit sein. Inzwischen hat der Workaholic auch den Duden erreicht.

Die Logik steht wieder einmal auf verlorenem Posten.

Dienstag, 30. Juli 2013

Noch mal und nicht ohne Zorn:

"Wie" oder "als"? Oder gar nichts?
Ein Bericht heute Vormittag (Sender leider nicht mehr ermittelbar) über die Bemühungen der australischen Ureinwohner stellt dar, wie sie das Wissen ihrer Ahnen über das Leben in der Natur zu erhalten suchen.
"Die Aborigines leben wie Ausgestoßene."
Gut gemeint und voll daneben. Es wird davon erzählt, wie schwer ihr Weg zu Bürgerrechten war, dass ihnen eine Generation durch systematisches Kidnapping gestohlen wurde.
Nur WIE Ausgestoßene? Ich würde sagen, sie leben ALS Ausgestoßene. Oder, ohne Konjunktion: Sie sind Ausgestoßene. Immer noch. Eine um 20% verminderte Lebenserwartung und eine 14x so große Inhaftierungsquote wie bei Weißen lässt diesen Schluss zu.

"Wie" Ausgestoßene. Sie sind es nicht wirklich, sie tun nur so.
Wie verräterisch kann doch so ein kleines Wort sein!

Bereits vor Jahren habe ich darüber philosophiert: Hier.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Großes ß revisited

In Facebook gibt es eine Seite von Befürwortern der Einführung eines ß als Großbuchstaben.
Wie ich schon früher schrieb, halte ich das für Unfug. Da seine linke Hälfte ein Kleinbuchstabe ist, handelt es sich um einen Zwiebelfisch, einen Griff in den anderen Setzkasten, in den mit den Minuskeln. Zwiebelfisch stinkt.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Ich bin ein AspieGirl: Weibliches Asperger Syndrom und Superkräfte

Übersetzung eines Artikels von Tania Marshall mit freundlicher Genehmigung der Autorin

AsperKraft

1. einmaliges Charakteristikum, Zug oder Gabe oder Kombination davon,
2. eine Superkraft, eigen jemandem mit Asperger Syndrom
3. Übersinnliche Macht, Kraft oder Fähigkeit,
4. oder etwas, das mit dem Werk von Hans Asperger zu tun hat

AspienGirl (c)

1. Junge weibliche Person vom Planet Aspien; weibliche Erwachsene vom Planet Aspien
2. weibliche Person mit Asperger-Syndrom; sie hat ein Profil, das sich vom männlichen mit Asperger-Syndrom unterscheidet
3. weibliche Person mit anders verkabeltem Gehirn

Planet Aspien(c)

1. Ein Planet, von dem die Aspiens kommen
2. Eine Platform; sie unterstützt und befürwortet und konzentriert sich auf einmalige Stärken, Fähigkeiten und Gaben von Mädchen und Frauen mit dem Asperger-Syndrom oder Hochfunktionalem Autismus
3. Ein Ort, wo Frauen sich ermächtigt, unterstützt und verstanden fühlen.

Nachdem ich jahrelang mit Frauen aller Altersgruppen aus dem Autistischen Spektrum oder Asperger-Syndrom arbeite, habe ich herausgefunden, dass diese speziellen Individuen eine einmalige Kombination von Fähigkeiten, Charakteristiken und Zügen aufweisen. Ein großer Teil meiner Arbeit besteht aus Unterstützung, Unterrichtung und Fördern von stärkenbasierten Modellen der Beschreibung von Individuen mit Autismus. Die Sprache und die Worte, die wir verwenden, besitzen Macht. In meiner Arbeit benutze ich ein Modell, das sich konzentriert auf Beurteilung und Beschreibung von Menschen, gestützt auf ihre Stärken, Fähigkeiten, Gaben und Talente. Das soll nicht heißen, dass wir die Schwierigkeiten ausblenden, aber das ist ein anderer Artikel. Dieser ermutigt die Leute, sich mit dem Positiven zu befassen, das Asperger jetzt und früher der Welt gegeben haben, indem sie ihre Asperkräfte nutzen. In meiner klinischen Arbeit habe ich Menschen aller Altersgruppen mit erstaunlichen Kombinationen verschiedenster Fähigkeiten, Talenten und Gaben erlebt.
Das Folgende beschreibt meine Top 10 der allgemein sichtbaren Stärken und Begabungen, Asperkräfte von Mädchen und Frauen mit dem Asperger-Syndrom und/oder hochfunktionalem Autismus, einmalig eigen in dieser Kombination bei Aspien-Mädchen oder -Frauen. Ich spreche von diesen Qualitäten als Superkräften oder Asperkräften, weil ich viele Male gesehen habe, dass diese Kräfte, wenn sie benutzt und beschützt werden, zu einem erfolgreichen Leben und/oder Karriere führen.

Feiern wir nun diese einmaligen Superkräfte von Mädchen und Frauen mit Asperger-Syndrom und erfahren wir mehr über sie:

1. Asperkraft-Intelligenz: Die Fähigkeit zu einem IQ, der von überdurchschnittlich bis zum Genie reicht, verglichen mit einer ähnlichen Gruppe. Aspien-Mädchen und Frauen besitzen intellektuelle Fähigkeiten, die ihnen einen deutlichen Vorsprung auf den Gebieten des Lernens, Behaltens und der Unterrichtung verschaffen und die die Promotion in Geisteswissenschaften umschließen. Viele Aspies lernen ihr Leben lang.

2. Asperkraft-Lehrer/Autodidakten: Die innewohnende Fähigkeit, sich selber Aufgaben zu stellen und zu lösen, sich Fähigkeiten anzueignen, deutlich eher, als in einer standardmäßigen Lehrsituation zu lernen. Beispiel: Sich selber das Tanzen beizubringen und später Tanzlehrer zu werden; sich selber Computerprogramme anzueignen und sie später Kindern zu erklären.

3. Asperpower-Einblicke und Wissensdrang: Die Fähigkeit, ein tiefer und nach innen gewandter Denker zu sein mit einem intensiven Streben nach Wissen, mit dem Verlangen, die Antworten auf endlose Folgen von Fragen zu finden und sich auf die "innere Welt" zu konzentrieren. Der Drang zu verstehen, wie die Dinge funktionieren, die Antworten auf Fragen und das Philosophieren kann intensiv werden. Verbunden mit Asperkraft-Superkonzentration führt diese nach innen gerichtete Neugier oft dazu, dass jemand Experte auf dem gewählten Gebiet wird. Aspien-Mädchen sind oft bekannt als "verkopft", "Denker", "kleine Philosophinnen", die ihre reiche und komplexe innere Welt genießen.

4. Asperkraft-Superkonzentration/-Besessenheit: die Fähigkeit, lange Zeitabschnitte in ihrem Spezialinteresse zu verbringen, zeitweilig im Extrem des Fastens, pausenlosen Arbeitens, stundenlanger Konzentration, und -- falls ungestört -- tagelang. Beispiel: Autoren, die Bücher schreiben, Künstler, die an einem Bild arbeiten, Webdesigner, die an einer Site arbeiten, die es in wenigen Tagen schaffen, kaum Pausen machen, ein komplettes Projekt vom Anfang bis Ende durchziehen.

5. AsperKraft-Einsamkeit: Oft beschrieben als "in ihrer eigenen Welt", die Fähigkeit, allein zu sein, zu arbeiten, zu lesen oder andere Tätigkeiten über lange Zeiträume durchzuführen, ohne dass das Bedürfnis nach menschlicher Gesellschaft aufkommt. Die Kraft der Innenschau überwiegt das soziale Bedürfnis, so dass die Apiens mehr Zeit für ihre Spezialinteressen aufwenden können. Viele Aspies verbringen lange Zeiträum mit Schreiben, Lesen, Programmieren, kreativer Arbeit, Malen und Zeichnen, und nur Haustiere sind ihre Gesellschaft. Aspie-Mädchen ziehen die Begegnung unter vier Augen der mit Gruppen vor. Andere könnens ich besser durch Schreiben, Kunst, Singen oder andere Mittel ausdrücken, sie genießen die Perioden des Alleinseins, sie genießen Arbeit, die ihnen erlaubt "einzutauchen" -- mit möglichst wenig Unterbrechungen.

6. AsperKraft-Kreativität: In Kombination mit anderen AsperKräften sind Aspie-Mädchen hochkreativ, phantasievoll oder kreativ eingestellt. Sie haben die Möglichkeit, Dinge zu kombinieren, die sie auf komplexe und ursprüngliche Art erkennen. Das macht sie zu Visionären, die originelle, einmalige Werke der Kunst, Raumkunst, Objektkunst oder Schriftstellerei herstellen.
Diejenigen, die künstlerische Neigungen mit ihrer sensiblen Wahrnehmung verbinden und die einen Blick für das Detail haben, können erfolgreiche Kunstschaffende werden. Diese Superkraft verbindet sich mit der Fähigkeit zur inneren Schau und führt so zu Karrieren als Bestseller-Autoren, Maler und anderer Künstler.

7. AsperKraft Intuition, Emotionales Mitfühlen und Umweltbewusstsein: Viele weibliche Personen sind hochsensibel und fühlen mit anderen, indem sie die Emotionen anderer wie die eigenen fühlen, ich spreche dann gern von "übertragener Emotion". die sich in die Energien und Gefühlszustände anderer einklinken. Übertragene Emotionen machen es leicht für Aspies, wahrzunehmen, was andere wollen, und machen ihre Beziehungen echt und liebevoll. Das gibt Aspies die Fähigkeit, anderen zu Diensten zu sein, es ist eine starke Fähigkeit, Quellen von Information ausfindig zu machen und Lösungen anzubieten, die jenseits von dem liegen, was durch Analyse, Rationalität, Logik oder Intelligenz steht. Oft "wissen" sie es einfach, wenn sie auch nicht sagen können, wie sie dazu gekommen sind, es zu wissen. Ökologisches Mitfühlen ist die Fähigkeit, das Wohlergehen und die Bedingungen des eigenen Umfeldes und der Natur, der Tiere u.a. zu erkennen. Diese Fähigkeit setzt sie in die Lage, mit Tieren aller Art zu kommunizieren und sie zu Verhaltensweisen auf Kommando zu trainieren. Die Tendenz, bewusster zu sein und innere Zustände stärker zu erfahren, kann kreative Arbeit reicher und tiefer machen, die Arbeit als Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und andere Künstler. Hohe Sensibilität für die Gefühle anderer, von Tieren oder der Natur kann ein kraftvolles Talent für Lehrer, Manager, Therapeuten, Anwälte, Tierrechtler und Menschenrechtsaktivisten darstellen.

8. Asperkraft-Talente und Gaben: Die Fähigkeit, innewohnende Naturkräfte und Fähigkeiten zu kontrollieren, die eine der Folgenden enthalten, kann oft schon in einem frühen Stadium des Lebens entdeckt werden: Sprache, Musik, Kunst, Schreiben, anderen helfen, mit Tieren oder der Natur zu arbeiten, redationelle Arbeit, Unternehmertum, Gesundheitsberufe, Lehrer und Spezialausbilder, Technologie, Wissenschaft, lebenslanges Lernen, Experte auf mehr als einem Gebiet.

9. AsperKraft-Unabhängigkeit, Willenskraft, reine Entschlusskraft: Das Bedürfnis, Dinge selber zu machen, weil ein Aspie ein "Nein" nicht akzeptiert und dazu tendiert, sich gegen Hilfe zu wehren oder dagegen, dass jemand anderes etwas erledigt, selbst wenn sie es braucht. Das heißt, dass sie länger braucht als die Personen ihrer Vergleichsgruppe.
Wenn sie entschlossen ist zu erreichen, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, erreicht sie es mit 100%iger Sicherheit.

10. AsperKraft-Perfektion: Als geborene Perfektionisten sind Aspiens gewissenhafte, harte Arbeiter, die nach Vollkommenheit streben. Sie bemühen sich sehr, keine Fehler zu machen, nichts zu vergessen, und sie tendieren dazu, am besten zu sein, wenn keine Fremden anwesend sind. 

Dienstag, 28. Mai 2013

Pass mal auf, das ist doch ganz einfach

Wie man einem Aspie etwas erklärt

Wie fängt es jemand an, der dir etwas erklären möchte?
Türkische Teezeit in Schottland
-- welche Zeit wäre normal?
Er oder sie greift oft auf das Bekannte zurück, benutzt z.B. das Wort „normal“. Woher aber soll jemand mit einer Kommunikationsstörung wissen, was normal ist? Bei meinen Schwiegereltern in der Kleinstadt ist es selbstverständlich, dass Kaffeezeit um drei ist. Das ist so klar, wie die Kirchenglocke um 10 am Sonntag läutet. Das ist eines der Dinge, die als normal gelten. In England ist um 5 Uhr Teezeit, aber auch nicht immer. Es kann auch um 4 oder 6 Uhr Tee geben oder keinen, weil man gleich zum Dinner schreitet.
Nichts ist selbstverständlich, das muss jeder wissen, der etwas erklärt; es ist aber auch nicht angemessen, sondern sogar beleidigend, wenn man zu weit unten ansetzt, vor allem, wenn ein Aspie auf einem bestimmten Gebiet über umfangreiches Wissen verfügt und es lediglich ergänzen möchte. Es muss also um absolute Fakten gehen, nicht um relative. Wenn ich eine Seite setze und bekomme die Information „der untere Rand muss ein bisschen höher“ und wenn ich ihn dann einen Millimeter höher setze und er passt wieder nicht, bin ich mit „tiefer“ schlecht bedient, ich brauche absolute Werte. Das hört sich selbstverständlich an, aber relative Aussagen sind eigentlich keine, sie sind wie die Größenangaben XS bis XL, die eigentlich überhaupt keine Aussage sind als lediglich, dass in einer Serie XS das kleinste Exemplar und XL das größte ist. Wenn die Serien unter einander verschieden sind, z.B. die eine für Teenager, die andere für mollige Damen gefertigt wurde, unterscheiden sich die beiden M-Exemplare durch 30 cm Durchmesser. Noch schlimmer ist es mit Aussagen wie „normal“, „wie immer“, „wie gewohnt“, „das machen alle so“, „so, wie wir es immer machen.“ Solche Aussagen sind für Aspies vollkommen wertlos. Am schlimmsten ist es, wenn die Erklärung eingeleitet wird durch „Pass mal auf, das ist ganz einfach“. Aspies passen immer auf. Sie passen besser auf als der, der das sagt. Sie sehen nur andere Dinge als der Sprecher. Sie sind unter Umständen nicht in der Lage zu verstehen, was der Sprecher sagt, obwohl sie jedes Wort verstehen. Der Sprecher sollte sich in jeder Phase versichern, dass der Zuhörer das in Sinn umgesetzt hat, was gesagt wurde. „Das ist ganz einfach“. Wenn es das wäre, gäbe es keine Notwendigkeit für eine Erklärung. Der Sprecher mag es für eine Ermutigung halten, wenn er das sagt; in Wirklichkeit wälzt er aber die Schuld dafür von sich ab für den Fall, dass die Erklärung nicht verstanden wird. Dann nämlich liegt es am Zuhörer, denn der Inhalt ist ja „ganz einfach“. Manche Aspies haben Schwierigkeiten, eine mündliche Erklärung zu verstehen. Ich brauche z.B. eine bildliche Hilfe. Oder ich muss es geschrieben sehen. Am schlimmsten ist es, wenn noch das Wort „doch“ hinzukommt: „Das ist doch ganz einfach“. Hiermit wird die Aussage zum Vorwurf, etwas bereits Gelerntes nicht wirklich abrufen zu können.
„Pass mal auf, das ist doch ganz einfach“ -- ein Satz, der schlicht verboten gehört.

Statt dessen ist eine mögliche Methode, den Aspie Fragen stellen zu lassen. Wo steht er oder sie gerade? Dass der Lehrende sich auf das Niveau des Aspies einstellt, ist unumgänglich. Ein Vortrag, der nicht genau innerhalb vom Interessengebiet des Aspies bleibt, wird ausgeblendet, ohne dass das in der Absicht des Zuhörers liegt. Aber innerhalb seines Interessengebietes weiß er schon alles, was man wissen kann.
Interesse ist absolut der Schlüssel zum Hinzulernen. Wenn dieses Interesse da ist, ist das Lernen kein Problem. Wenn aber das Interesse fehlt, muss man fragen, ob es nötig ist, sich mit dem betreffenden Sachgebiet überhaupt zu beschäftigen.
Wahrscheinlich erspart man dem Aspie lediglich Verzweiflung und das Gefühl des Nicht-Genügens, wenn man auf diese Belehrungen verzichtet. Denn wenn sich das Gehirn sträubt, diese Dinge aufzunehmen, dann kann man es wahrscheinlich auch nicht erzwingen. Vielleicht lebt man ohne Führerschein oder Zusatzausbildung ganz prima. Sage ich aus eigener Erfahrung.

Freitag, 1. Februar 2013

Starke Verben werden schwach

Wie sang und klang es doch im Deutschen der Romantik. Das Präteritum war noch anerkannt und nicht verfemt. Erzählte man von einem Vorgang der Vergangenheit, dann war es selbstverständlich. Man ging, floh, focht, sprach, fror, ritt, schlug, schoss, brach und stritt. Man kannte die auf- und absteigende Melodie der drei Formen, drei Nornen der Sprache, drei verwandte und doch unterscheidbare Charaktere, die einen Akkord der Zeit sangen. Klingen, klang, geklungen. Der hohe Ton brilliert im Schwung der Gegenwart, die Zeit sank ab in die Vergangenheit und endlich auf den Boden der Zeit im Perfekt und Plusquamperfekt, in der Form der Vergangenheit vor der Vergangenheit. "Ich hatte lange nach ihm gesucht, bis ich 1813 einen letzten Versuch unternahm."

Im sogenannten Bildungsbürgertum überlebte die epische Erzählung. Sie beherrschte den Roman und die Novelle. Das Präteritum war die übliche Form.

Als ich, im Präteritum berichtend, was mir zuhause so passierte, in die Schule ging, sagte ein anderes Kind: "Du sprichst so komisch." Und auf mein Nachfragen antwortete sie: "Man sagt doch 'ich bin gegangen', 'ich bin gekommen', aber du sagst 'ich kam', 'ich ging'..." Als Kind hat man nicht das Selbstbewusstsein, damit umzugehen. Mir wurde nur klar, dass die Gebräuche bei uns zuhause anders waren, und ich führte es wieder einmal darauf zurück, dass wir Balten waren und keine "Reichsdeutschen". Es lag aber an etwas anderem. Meine Eltern hatten beide Abitur, mein Vater hatte zweimal promoviert, meine Schule hingegen lag in einem Arbeiterviertel, der hamburgischen Neustadt.

Es fällt auch heute wieder auf, dass die Imperfekt- oder Präteritum-Form von einigen Sprechern gern umgangen wird; am kläglichsten endet das, wenn man -- aus Unsicherheit, ob es geklappt hat mit der Darstellung einer Vergangenheit -- noch ein "gehabt" hinterherschleichen lässt. Und starke Verben werden schwach, wenn aus "gegoren" ein "gegärt" wird, was im übertragenen Sinn noch halbwegs zu entschuldigen ist, zum Beispiel, wenn es sich um den Zustand vor einer Revolution handelt; unentschuldbar ist es aber, wenn es den Zustand von Traubensaft im Bottich  beschreibt, der gerade zu Wein wurde. Und dergleichen Schnitzer finden wir immer wieder. Eine Weide wiegte sich im Wind, richtig, aber die Händlerin wog mir ein Pfund Butter ab. Ein Gesandter ist kein Gesendeter. Weitere Fundstücke werde ich bei Gelegenheit hinzufügen.

Das Englische, zu dem wir heute vielfach Zuflucht nehmen, rettet uns hingegen nicht vor den starken Verben. Als angelsächsische Sprache wahrt auch sie die farbigen, klangreichen starken Formen. Rise, rose, risen. Formen, die mitunter nicht einmal von englischen Sprechern perfekt beherrscht werden.
Das Denglische macht es also eher noch schlimmer.


Am wildesten wird es ja, wenn der "fightende" Sportler in der Vergangenheitsform beschrieben wird. In völliger Ignoranz darüber, dass auch im Englischen "fight" stark gebeugt wird: "he fought". Und da bietet sich doch die analoge deutsche Form an: "Er focht". Aber -- wer kennt die noch?

Donnerstag, 17. Januar 2013

So diskutiert man mit seinem Verbündeten

Dies ist meine Übersetzung einer Diskussion in einer politischen Facebook-Gruppe.
Diese Debatte wurde auf Englisch geführt. Die Teilnehmer bekennen sich überwiegend zur Republikanischen Partei. Ich habe die Namen der Teilnehmer auf Anfangsbuchstaben reduziert. Seit dieser Debatte und mit einer Menge Tastenschmalz ist es mir gelungen, die Gruppe ein Stück weit zu drehen. Die ganz Militanten gingen raus oder halten sich zurück. Es musste aber wohl das Hauen und Stechen vorausgehen. Der Admin gab auf und wurde durch einen gemäßigten Charakter ersetzt.

Protagonisten:
EN: Ich selber
TP: Meine Freundin, die mich zu Hilfe gerufen hat
MB: ein Mann des Mittelwestens
RK: Der Gruppen-Admin, Polizist im Mittelwesten
JK: Vater von RK, pensionierter Polizist im Mittelwesten
HT: Mann des Mittelwestens.
Es ging um die Behauptung eines Mannes, das Massaker in der Sandy-Schule sei inszeniert gewesen, aber die Debatte drehte sich schon um Waffen-Regulierung, als ich dazukam. Der zweite Artikel der Verfassung besagt, jeder Bürger der USA habe das Recht, Waffen zu tragen. Hier beginnt der übersetzte Text:

EN: Der zweite Artikel wurde geschrieben für Ein-Schuss-Frontlader.

MB: Meine Dame, du hast keine Ahnung, wovon du redest. Lies den 2. Artikel. Bitte! Der Punkt ist, dass wir uns vor Regierung und Kriminellen schützen können. Punkt.

EN: Und? wann wurde er geschrieben? Was war der technische Standard von 1787?

MB: Das spielt doch keine Rolle!

...

EN: Doch. Es hatte was damit zu tun, was die Autoren der Verfassung im Sinn hatten. Sie konnten sich keine automatischen Waffen vorstellen.

MB: Wir müssen uns mit derselben oder besserer Feuerkraft ausstatten als die Regierung, wenn wir kämpfen müssen. Wir müssen in der Lage sein, uns gegen Tyrannen wie Hitler, Musselini (sic!), Marx usw...

EN: Damals war die Polizei weit weg. Es gab keine Handys, um sie zu rufen. Warum dann braucht heute jeder Bürger eine Waffe? Jeder hat doch ein Handy. Und: Stellt euch vor, da ist eine Gruppe von 4 oder 5 Personen. Und da ist jemand, der die Gruppe mit einer Waffe bedroht. Er hat den Vorteil der Überraschung, und einer in der Gruppe hat ebenfalls eine Waffe. Er versucht, die Gruppe zu verteidigen -- und wer wird das erste Ziel sein? Wer wird als erster verletzt werden? Der mit der Waffe. Soviel zum "Schutz". Es ist ein Mythos, der praktisch von jedem statistischen Material widerlegt wird, das die USA mit anderen Ländern vergleicht.

MB: Es gab keine Polizei -- darum ging es nicht. Dies hier führt uns nicht weiter. Tut mir leid, Eva, bestimmt bist du eine nette Dame. Ich will dich nicht beleidigen, aber ich kann nicht guten Gewissens mit dir diskutieren, ohne sehr direkt zu werden, ich lasse es mal dabei. Glaub doch, was du willst. Ich und Millionen andere glauben gern an den 2. Artikel, um uns vor dem zu schützen, was -- wie wir glauben -- bald auf die US zukommt. Es passiert, glaub es oder nicht. Du bist alt genug, um dich zu erinnern, wie es mal war. Die Dinge haben sich geändert. Wir waren mal ein freies Land. Das sind wir nicht mehr. Unsere Steuergelder gehen an Leute, die nicht arbeiten wollen, und sie wollen ein Waffengesetz oder uns die Waffen wegnehmen. Die Wirtschaft und unsere Verfassung hängen an einem Faden. Etwas läuft falsch. Sag uns, wie man das in Ordnung bringen kann.

MB: TP., sieh dir das Video an und lies die anderen Infos, das ist nicht Propaganda, das ist Geschichte. Es überzeugt dich vielleicht nicht, aber es gibt dir vielleicht zu denken.

EN: Freiheit hat ihre Grenzen, wo die Freiheit anderer begrenzt wird. Es fühlt sich vielleicht nicht angenehm an, wenn ihr glaubtet, dass eure Freiheit unbegrenzt ist. Aber mein Mitgefühl gilt eher denen, deren Freiheiten in der Vergangenheit beschnitten wurden als denen, die es unbequem finden, heute in den USA zu leben. Tut mir leid.

Ihr habt ehrlich vor, eure Privilegien gegen die gewählte Regierung der Vereinigten Staaten zu verteidigen? Das ist eine Einladung zum Putsch!

Aber wie man das in Ordnung bringen kann? Die Banken regulieren. Jeden einzelnen Kaufvorgang in den Börsen besteuern. Das wäre schon eine dicke Grippeimpfung für die Wirtschaft. Unterstützt die Bauern, die gegen Monsanto kämpfen. Brecht die Macht der Superkonzerne. Es gibt viel zu tun!

MB: ich fürchte, du wirst nie verstehen, was Patrick Henry meinte, als er sagte: "Gib mir die Freiheit oder den Tod". Sie verstehen die Tyrannei. Und die Millionen, die in den Weltkriegen gekämpft haben, um dieselben Leute zu bekämpfen, die wir heute bekämpfen. Wenn du das nicht verstehst, wirst du nie etwas verstehen.
Und was genau für Freiheiten anderer beschneide ich? Meine Freiheit wird von Gott begrenzt, nicht von einer abtrünnigen Regierung. Jesus kam, um solche Dinge zu verdammen. Die Bürde, die die Regierung und eine pompöse Religion den Leuten auferlegte. Das passiert auch heute.

EN: Stell mich doch nicht als Dummchen hin. Ich bin in Deutschland aufgewachsen mit Eltern, die ihren Teil vom 3. Reich abbekommen haben, obwohl sie denen nie zur Macht verholfen haben, sie sind erst 1939 auf der Flucht vor Stalin nach Deutschland gekommen. Ich kann sehr klar erkennen, dass du denkst, es wäre besser, tot zu sein, als unter einem vernünftigen und gerechten Präsidenten -- das glaube ich, was er ist, wenn man ihn lässt -- zu leben. Amerikaner sind manchmal naiv im Bezug, wie ihre Politik auf ärmere Nationen wirkt. Und was Jesus betrifft: Nahm er das Schwert, als er von den Römern verhaftet wurde? Nein! Petrus versuchte, ihn zu verteidigen, da sagte er: "Steck dein Schwert ein." Also, was für Beweise hoffst du bei Jesus zu finden, die deine Ideen untermauern können? Keine! Folge Jesus, denk an seine Forderungen, wenn du meinst, du kennst ihn.

TP: "Diese Leute", M., von denen du sprichst, sind von einer Mehrheit der Wähler gewählt worden. Warte einfach, bis ihre "Terms" vorbei sind, dann benutz deine Stimme und lass deine Waffen in verschlossenen Schränken, wo sie hingehören. Diese Demokratie hat 2 1/2 Jahrhunderte überstanden und ist immer stärker geworden. Wir brauchen keine Milizen, die "revolutionären Krieg" spielen, da draußen, mit echten Waffen (oder Farbpatronen). Wähle, dann finde dich mit dem Ergebnis ab. Das ist der American Way.

...

HT: Eva, als sie die Juden in deinem Land zusammengetrieben haben, waren da Leute, die sagten, macht euch keine Sorgen, alles geht in Ordnung? Waren da T.s auf den Straßen, die allen guten, gesetzesfürchtigen Deutschen sagten, wer sich Sorgen macht, ist nur dumm und lebt in der Vergangenheit? Sagten sie den wenigen Juden, die einen Aufstand machten, dass sie nur kleine, romantische Machos wären? Was sagten die Bürger, als sie die Verbrennungsöfen in Gang setzten und Millionen tote Juden hineinschoben, um sie einzuäschern? Weiß nicht, wie alt du bist, aber in dem alter, wo du mit deinen Landsleuten über Hitler hättest sprechen können und die Massenmorde, die deine Landsleute an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern begingen, nicht wahr?

EN: Dann erwartest du, dass Obama alle Weißen in KZs steckt und sie vergast? Tut mir leid, das ist zu hysterisch, als dass man es diskutieren kann. Es ist eine Beleidigung der Opfer des NS. Es ist eine Banalisierung ihrer Leiden.

HT: Hast du erwartet, dass Hitler das tut?

EN: Jeder hätte wissen können, was er vorhatte. Er hat ein Buch geschrieben, Mein Kampf.

HT: Hast du Obamas Buch gelesen und seine kriminellen Verbindungen? Mein Kampf -- Dreams of my father.

EN: Haha, was sagt er da? Die Weißen vergasen? Lach!
Ihre Waffen wegnehmen? Brilliante Idee. Das würde ich auch machen: Wir haben 5,5 Mio regstrierte Schusswaffen und 155 Fälle von Tod durch Schusswaffen, das sind 0,19 pro 100.000 Einwohner. Die USA haben 3.45 pro 100.000 Einwohner.
Hey, dankt ihm auf Knien!

HT: Hat deine Familie das auch in den 1940ern gesagt? Wieviele Lacher hast du denen gesagt? Hast du gelacht, als eure Nachbarn Judensterne trugen?

EN: Als meine Mutter 1938 das erste Mal nach Deutschland kam, schrieb sie in einem Brief: "Von diesem Herrn Hitler werden wir nichts Gutes zu erwarten haben." (Fußnote: Ich arbeite für das Stolpersteine-Projekt für unser örtliches Parlament. Also sei vorsichtig mit deinen Spekulationen.)

MB (erklärt ausführlich, dass er das alles ernst meint und man sich darüber nicht lustig machen kann.)

HT: Bin sicher die 37 Millionen unschuldiger Menschen die als Folge deines Landes gestorben sind hätten sicher gern eine Chance gehabt, sich zu verteidigen. Hat jemand in deiner Familie jemand die Waffe gegen die Nazis erhoben?

EN: Also meine Frage, ob ihr erwartet, dass Obama alle Weißen vergasen will, war schon ganz ernst gemeint.

HT: Eva, Obamas Idiotie hat nichts mit Rasse zu tun und alles mit Ideologie. Du kannst daraus eine Rasseangelegenheit machen, die Deutschen sind darin gut. Es ist keine Rassefrage, es ist sein kommunistischer Hintergrund und seine kriminellen Verbindungen, die seinen Glauben geformt haben. Er und anscheinend du glaubt, dass alles Gute von der Regierung kommt. Ich glaube das nicht.

EN. Ihr fürchtet den Verlust von einigen Privilegien. Das bringt euch schon nicht um. Wie T. sagte: Findet euch mit dem Wahlergebnis ab! Die letzte Amtsperiode von G.W.Busch ist durch Wahlmanipulation geschehen. Aber da gab es keinen Aufschrei wie jetzt.

MB. Haha, Lach, du willst Witze machen und machst hieraus einen Witz? Dummköpfe! Und du bist, was sie nützliche Idioten und unnütze Esser nennen. Pass mal auf, was passiert, wenn sie mit dir fertig sind.

EN. findest du nicht, dass du jetzt etwas unhöflich wirst?

...

HT: Eva, wer ist Frank Marshall?

EN: Moment, ich google mal...

...

MB: R (Gruppen-Admin), ist es nötig, uns zurechtzuweisen, weil wir ein ernsthaftes Gespräch führen? Diese Damen sind unwissend und müssen erzogen werden. Ich denke, du kannst sie befrieden.

...

EN: H, meintest du den Filmregisseur, den Schachspieler oder den Grundstücksmakler?

HT: Mein Fehler, wir nennen ihn immer nur beim zweiten Namen, versuch Frank Marshall Davis.

EN: Wen hast du gemeint mit "sie" -- "wenn sie mit mir fertig sind"?

MB: Die Eliten, die die Welt beherrschen, die Schattenregierung, die in Wirklichkeit die "shots" rufen, reden so von denen, die ihnen in die Hand arbeiten und verteidigen sie als nützliche Idioten. Ich habe das nicht gesagt.

EN: Gut, wenn das ein Zitat war, hätte es sinnvollerweise als Zitat gekennzeichnet werden sollen.

EN: Ich hab's. Frank Marshall Davis. Anscheinend war sein einziger Fehler -- von dem, was ich lese -- dass er Stalin unterschätzt hat. Der Rest hört sich an, als könnte er mein Held sein. Wie mein Vater sagte: "Wer in der Jugend nicht Kommunist ist, hat kein Herz, wer es im Alter noch ist, hat keinen Kopf". Ich denke, er ist doch ein bisschen Kommunist geblieben. War übrigens evangelischer Pastor.

MB: ... Mit Liberalen und Narren kannst du nicht diskutieren.

HT: Dein Held könnte er sein? Bevor ich hinfalle, möchte ich sicher sein, dass wir von diesem Stück Dreck und riesigen Einfluss auf Obamas Leben reden: "Telegraph. Frank Marshall Davis, als Kommunist angesehen, hatte früh Einfluss auf Barack Obama."
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/barackobama/2601914/Frank-Marshall-Davis-alleged-Communist-was-early-influence-on-Barack-Obama.html
...
EN. Oh, ich sehe. Eine weitere Verschwörungstheorie.

MB: Ich war mir schon sicher, auf welcher Seite deine Familie gestanden hat, ich denke, ich weiß es jetzt. H, der Fall ist verloren.
Keine Theorie! Fakten! Diese Damen sind gehirngewaschen.

EN. Oh mein Gott, wir akzeptieren keine harten Fakten! Wir glauben nicht was ihr sagt, das ist Rebellion! Ein kommunistischer Dichter hat ihn beeinflusst. N A,  U N D.

JK Was war mit den gestrigen Fakten?

EN: Die haben mich nicht überzeugt. Ich habe gerade eine Quelle für meine Fakten gefunden. http://de.wikipedia.org/wiki/Waffenmissbrauch

JK Ich glaube, du willst uns nur ärgern. Ich bin weg, guten Tag.

EN: Eine angemessene Antwort.
...

EN: Jetzt sagt mir mal, warum meine Fakten nicht gut sein sollen. Sagt mir ob ihr lieber in einem Land lebt, das auf 100.000 Einwohner 0.19 Todesfälle durch Feuerwaffen habt oder lieber in einem, wo es 3,45 Fälle auf 100.000 Einwohner sind? Wo lebt Ihr sicherer?

RK: Stellt euch das vor. Tut mir leid, ich konnte nicht widerstehen. Ich muss aufhören, diesem Thread zu folgen. Das ist wie wenn man einem Eisenbahnunglück zusieht.

MB: Eva, du bist nicht in Deutschland, du bist in den US. Und ein Linkssozialist ist noch schlimmer. Du bist ein Gift für die Menschheit, wenn du mich fragst. Eine üble Inkarnation. Ich gebe keinen Heller für deine grünen Anteile, du bist ein Idiot. Geh doch in irgend ein anderes sozialistisches Land und lass zum Teufel die USA in Ruhe, damit wir unsere eigenen Gefechte austragen können.
Ich bin weg. Sozialistischer Abschaum!

RK: Jungs, ihr habt eine Grenze überschritten. Ich denke, wir sollten den Thread fallenlassen.

EN: Haha, ich hab' Spaß. Danke für das "Jungs".

MB: Was habe ich gesagt?

RK: Eine Seite, auf der nur Beleidigungen rumgeworfen werden, überdauert nicht lange, die hat keinen Sinn.

HT: Unterstützt du die Verfassung der Vereinigten Staaten?

EN: Warum sollte ich? Ich bin die schreckliche Person, die über den gelben Stern gelacht hat, zehn Jahre, bevor ich geboren wurde. Nein, Entschuldigung, ernsthafte Antwort. Ich lebe nicht in den USA, es betrifft mich nicht. Ich respektiere sie wie jede andere demokratische Verfassung. Und ich sehe das historisch.

HT: Gut, dann halt die Klappe.

EN: !! Ich glaub es nicht.

MB: Siehst du, du kannst kein normales Gespräch führen. Du bist voll Sarkasmus und Ironie. Meine Stiefmutter war ein Vollblut-Kraut. Sie hatte mehr Liebreiz im kleinen Finger als Du jemals haben kannst. Sie war eine Dame. Sie wusste ihre Staatsbürgerschaft zu schätze. Nicht wie du. Ich durchschaue deinen Quatsch. Du bist ein Antagonist (?). Du willst nur argumentieren, weil du den Tatsachen gegenüber ignorant bist. Versuch mal, eine echte Debatte zu führen. Ich wette, das kannst du nicht. Die Dummheit leuchtet hell.

EN. Wenn ich es versuche, werden meine Argumente von dir nicht akzeptiert. Ich habe das getan. Siehe oben. Übrigens, um das klarzustellen, ich habe keinen Grund, die Staatsbürgerschaft zu schätzen, ich bin deutsche Staatsbürgerin.

HT: Du hast kein Recht, eine Meinung zu haben, was dieses Land tut oder nicht tut. Du hast keinen Pflock in diesem Land stecken und ich nicht in deinem (aha...) Ich würde dich nicht beleidigen, was Rechte in deinem Land betrifft, die der deutsche Staat beschließt. Wie wagst du es, uns herabzusetzen über ein Recht, das uns von der Verfassung gegeben ist? Was für eine Art Chuzpe braucht es, um darüber nur einen Kommentar abzugeben. Wenn du die Dinge historisch siehst, dann bringt dich wohl TP dazu, dass diejenigen von uns, die an unsere Rechte glauben, dumm sind? Richtig?

EN. Ja, es tut weh, wenn der Spieß umgedreht wird... Die USA haben sich so dran gewöhnt, der Welt zu sagen, was sie tun sollen, dass ihr erwartet, dass alle euch dankbar sind. Und wenn sie das nicht sind, ist es ein Verbrechen, Dummheit, Chuzpe oder was immer.

HT Oh, die echten Farben färben durch. Meine Damen und Herren, wir haben einen Amerika-Hasser in Eva, nicht wahr? Die USA, ich meine Mike und mich, sagen euch, was ihr tun sollt? Das letzte Mal, wo wir das getan haben, lagen eure Städte in Trümmern.

EN: Wenn ich etwas für mein Recht hielte und es würde sich herausstellen, dass es so viel Leid verursacht, würde ich meine Meinung ändern und das Recht aufgeben. Würde auf ein "Recht" verzichten, um das Recht wieder einzusetzen. Für alle.

HT: Hat deine Familie das in den Vierzigern getan und davor? Ihr Recht, den Juden die Häuser und ihren Besitz zu stehlen, war das für euch ein Thema?

EN: Sie kamen 1939, verloren ihr Zuhause in Estland, flüchteten noch einmal, verloren alles, verloren zwei Kinder, waren nicht in der Partei. Du hast die Fußnote über meine Arbeit gelesen? Hör doch auf, ungerecht zu sein.

MB: Ich glaube dir kein Wort. Ich bin sicher, deine Eltern haben da eine Rolle gespielt. Hat dein Pappi dich verlassen, als du klein warst, weil er zu beschäftigt damit war, Juden zu ermorden?

MB: Du machst schon wieder Witze, und du hasst mich, wenn ich lache.

RK: Okay, Leute. Mike, schneide das. Letzte Warnung.

MB: Nein, Eva, ich meine das so. Deine Schieflage ist so stark, du nimmst nichts zur Kenntnis, was wir sagen. Ich sagte gerade etwas ebenso extremes, und ich soll es löschen.
Du hast dich über die USA lustig gemacht, jetzt mache ich mich über dich lustig. Aber dann bin ich der Böse.

EN: Ich widerspreche dir, aber ich habe keine persönliche Beledigung gepostet, oder?

HT: Meine Bemerkung über Amerika-Hasser war schon ganz zutreffend, nicht? Eine Menge Leute waren nicht in der Partei, aber haben von der Arbeit der Nazis profitiert, nicht?

RK: MB ist aus der Liste entfernt. Ich habe es gesagt, keine persönlichen Beleidigungen.

EN: Amerika-Hasser? ... Sehen wir mal. Ich liebe an Amerika, dass es so vielseitig und multikulturell ist. Ich liebe das Wissen, die Fertigkeiten und handwerkliche Höhe, die sich in jedem Film zeigt. Großartige Kunst und Unterhaltung. Großartie wissenschaftliche und philosophische Errungenschaften. Viele wunderbare Leute, die ich mit Stolz meine Freunde nenne. TP gehört dazu. Und ich möchte, dass dieses wunderbare Land vor überbordender Gewalt und falschen Ansichten über ihre Ursachen geschützt wird. Wir sind Freunde. Freunde dürfen auch mal kritisch sein. Sind Eltern das nicht auch? Warum sollte das alte Europa sich nicht Sorgen machen?
Ich gehe. Gute Nacht. Wir sehen uns bei der nächsten Schocktherapie.

HT: Ich will, dass das Land geschützt wird, und es muss vor denen geschützt werden, die die Perspektive einer TP haben.

TP: Ich wusste, es hat einen Grund, dass mir die Ohren klingen!

HT: Zu spät zur Party, TP, du musst allein weitermachen

TP: Das passiert nicht, ich bin fertig, hoffe ich...



Ende der Debatte


Montag, 22. Oktober 2012

Die Farce aus dem Eis -- revisited

Zeichnung von mir nach Zeitungsbild
Wenn es nicht so komisch wäre, müsste man ernsthaft um die Altertumsforschung in Mitteleuropa weinen. Allein schon die Mühen, die sechsstelligen Summen, die die Erhaltung des Leichnams kostet, seit er aus dem Eis heraus ist. Wie erklären wir uns, dass es 5300 Jahre lang geklappt hat mit seiner Konservierung -- kein Schimmel, keine völlige Zerstörung -- und im Museum haben sie die Hölle damit, ein Klima zu schaffen, das den Körper nicht binnen Monaten unkenntlich macht? Dieser Körper ist auf keinen Fall im alpinen Klima erhalten geblieben, sondern in einem wesentlich trockeneren. Ich favorisiere die Steppen-Theorie, wonach er ein Vorfahr der Skythen, Sarmaten oder frühen Iraner gewesen wäre. G2a2 war die eine Haplogruppe, von der man las. Dann kam G2a4, was ihn sehr weit nach Osten verweist. Mageninhalt und Erscheinung stehen dazu in keinem Widerspruch! Und plötzlich wird er in K1 eingestuft -- da hätte er keine modernen Nachfahren in Europa. Also muss eine eigens für ihn geschaffene Haplogruppe K1ö geschaffen werden. Nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf -- oder dass sein kann, was sein soll. Das Ganze ist eine riesige Farce.

Der Eismann gibt mir weiter Rätsel auf. Ich spekuliere also mal. Die genetische Einordnung ist K1, keine Verwandten im heutigen Europa, aber in Vorderasien... Wie kam er in die Alpen? Alle rein körperlichen Befunde am Ötzi ohne Berücksichtigung der Artefakte/Artefakes ergibt keinen Widerspruch zu einem Ursprung im Herkunftsgebiet der Skythen/Sarmaten/frühen Iraner.
Nahrung: Hirsch und Steinbock (in Asien sehr ähnlich wie in den Alpen), Getreide Emmer und Einkorn (vorderer Orient und Kleinasien ebenso wie in Mitteleuropa) Abschleifung der Zähne weist auf Steinmehl durch Getreide-Mahlsteine hin. Braune Augen und Haare, Laktose-Intoleranz (Asien). Das Gras: "unerwartete Pflanzen", "arktische Mumie" (Der Mann im Eis, neue Funde und Ergebnisse). Die Tätowierungen -- Verbindung mit den Skythen?
Ich denke da eher an jemanden, der in der Kurgan-Zone in der Ukranie oder Südsibirien den Trocknungszustand erlangt hat. Hautzustand: Vergleiche mit Pazyryk-Mumie (ca. 500 v.Chr.), ebenfalls tätowiert, aber deutlich kunstreicher.
Die Pfeilspitze in seiner Schulter war angeblich kein einheimischer Stein der Alpen. Woher kam dieses Material?

Hier http://dienekes.blogspot.de/2011/09/otzi-tyrolean-iceman-belonged-to-y.html finden wir eine weitere genetische Auskunft, nämlich G2a4. Diese verweist wiederum nach Asien. Allenfalls Sardinien steht dem nah, sonst keiner. Nun klammert man sich also an Sardinien. Dabei weist G2a4 noch weiter nach Osten, nach Sibirien. Und das passt wiederum zum Grasbefund. Man kann ihn sich also eher als Hunnen vorstellen. Bei K1 wäre er sehr viel europider nach moderner Vorstellung, die Rekonstruktion der Skythenfrau würde demnach in seine Verwandtschaft passen. Dann hätte er aber einen Weg von der heutigen Nordukraine bis in die Alpen zurückgelegt. Eine solche Migration lässt sich eigentlich erst in den berittenen Geschichtsepochen vorstellen, um die es sich hier noch nicht handelt.

Entweder muss die Geschichte Europas neu geschrieben werden oder der Ötzi ist aus einem Helikopter in das Wasserloch gefallen.


Und hier Genaueres über die genetische Analyse: http://journals.ohiolink.edu/ejc/search.cgi?q=id%3A09609822%2Fv18i0021%2F1687_cmgsotti&pagesize&mlt=y



Montag, 27. August 2012

Ich weiß besser als du, was du suchst

Eigentlich ist Google meine liebste Suchmaschine, ich gehe so weit zu sagen, meine einzige. Die jüngeren Nutzer des Internets wissen nicht mehr, wie das war, als man nur über Kategorien und Seitentitel suchen konnte! Ja, der Seitentitel ist der Titel, der im Kopf einer Seite als Subtext eingegeben wird und dann im einem kleinen Fach des Browserfensters erschien, als die Browser noch keine Tabs hatten... Nee, hatten sie früher nicht! Und damals erschienen dann als Suchergebnis Überschrift und URL. Ja, wo war dann die Textstelle, die dem Suchbegriff entsprach? Haha, jetzt ging man daran, lustig die Site zu durchsuchen, bis der Inhalt gefunden war, wegen dem man sich zu Fuß durchs Internet begeben hat.
Ich erinnere mich daran, dass ein Pionier der digitalen Welt, bei dem ich damals arbeitete, mir in den frühen Neunzigern davon erzählte, dass nun auch eine Suchmaschine erprobt werde, die Volltext suchen kann. Die auf x-beliebige Textpartien zugreifen und das Ergebnis anzeigen kann. Sie glauben nicht, was das für eine Revolution war.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem jede Revolution spätestens binnen 5 Jahren eine Selbstverständlichkeit ist.

Nun aber werde ich zunehmend unzufrieden mit Google. Das ergab sich während meiner Suche nach einem Buch, das ich mal besessen und irgendwo habe stehen lassen. Typografischer Atlas. Ich gab es ein -- nein, Google beharrte darauf, dass es "fotografischer Atlas" heißen müsse. Erst der Umstand der erweiterten Suche ließ mich in Frieden und teilte mir mit, den gäbe es nicht. Himmelherrgott, ich habe das Buch vor 25 Jahren gekauft, das kann doch nicht dargestellt werden, als hätte es das nie gegeben! Nein, Google versucht starrsinnig, mir andere Ergebnisse reinzudrücken, als wäre es peinlich, zu wenige Ergebnisse zu haben. Es drängt mir verkäufliche Ergebnisse auf und verschweigt mir möglicherweise Ergebnisse, so mein Verdacht.
Bislang habe ich dieser Suchmaschine vertraut, und ich werde sie weiter täglich benutzen. Aber irgendwie ist ein Stich drin.

Freitag, 17. Februar 2012

Rettet das Internet!

Warum muss man etwas retten, was so offensichtlich blüht und gedeiht?

"Wohin willst du heute gehen?" fragte Microsoft vor vielen Jahren. Tatsächlich sah das Internet damals aus wie eine weltweite, frei begehbare Sphäre, wenn auch die Navigation darauf beruhte, dass man entweder die Adresse auf anderen Wegen erfuhr, aus Printmedien, durch persönliche Mitteilung oder durch Links auf anderen Seiten, z.B. auf den inzwischen kaum noch bekannten, damals aber mit Mühe und Liebe gepflegten Linklisten. Diese sind durch die modernen Suchmaschinen revolutioniert worden. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Volltextsuche das Internet gewandelt hat. Können Sie sich noch hineinversetzen, wie es war, ausschließlich in Schlagwort-Katalogen zu suchen, die sich allein auf den Titel beriefen, und dann noch einmal die Inhalte nach den gewünschten Fakten zu durchsuchen?
Und erinnern Sie sich, was für eine ungeheure Erleichterung es war, als Google seinen Betrieb in Deutschland aufnahm?
Das waren goldene Zeiten, denn die Flash-Banner hatten sich noch kaum durchgesetzt, aber damals entstand schon der Trend, die Sites mit Werbung vollzukleistern, wogegen man sich mit Flash-Blockern oder doch mit beharrlichem Ignorieren wehrte. Man klickte Werbung nicht an, basta.
Was aber wären Medien ohne Werbe-Einnahmen? Angeblich würde ja das Internet nicht existieren, wenn es keine Werbung gäbe, obwohl ich ja ca. 30 Eur pro Monat für mein Internet+Telefon abdrücke.
Wie auch immer, die Werbebranche hat die mangelnde Effizienz der Banner erkannt und sich aufs Datensammeln verlegt.

Hätten wir doch nur fleißig die Werbebanner angeklickt! Denn unsere Verweigerung gebar ein weiteres Internet-Monster: Das Datensammeln durch Registrationszwang.

Und jetzt gab es kein Halten mehr. Wenn man irgendwo einen kleinen Kommentar abgeben möchte oder seine Meinung sagen, dann kommt von irgendwo her ein Formular, das mir das Registrieren nahlegt. Man kann mich natürlich nicht zwingen, dann behalte ich meine Meinung eben für mich.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen auf der Straße einfach nur mal Ihre Meinung sagen, müssen in diesem Fall aber auch Ihren Ausweis zeigen, sonst hält man Ihnen das Mikrofon gar nicht erst hin.

So ungefähr verhält es sich im Internet. Ob Sie in Facebook etwas beisteuern wollen, ob Sie in Ihrer Tageszeitung online mitdiskutieren wollen oder ein Foto kommentieren möchten -- Sie werden in den meisten Fällen um den Ausweis gebeten. Mein Passwörterbuch enthält inzwischen viermal, fünfmal so viele Adressen wie das der realen Welt. Einfach, weil ich der Typ bin, der sich heute auf dieser, morgen auf jener Websiten umschauen möchte.

Where do you want to go today?

Für die meisten heißt die Antwort mit schöner Regelmäßigkeit Tag für Tag: "auf Facebook". Man hat sein Portal und bewegt sich ausschließlich innerhalb dessen. Das virtuelle Dorf ist für die User eine Heimat geworden, in der sie jeden Tag vertraute Gesichter sehen können, ganz so, wie es früher im Dorf war. Schauten sie dort über den Zaun und fragten nach dem zahnenden Jüngsten und der rheumatischen Oma, so sieht man sich auch heute jeden Tag, wenn auch virtuell. Das Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen Gartenzaun und Webcam, es belohnt beide Kontakte mit einem Wohlgefühl. Unser innerer Neandertaler scheint einen enormen Nutzen aus der Wahrnehmung der immer gleichen Mitmenschen zu ziehen, er schließt daraus auf Beständigkeit und Sicherheit. Sie sind noch da, sie haben mich nicht verlassen.

Dieses Bedürfnis nach Sicherheit konterkariert inzwischen so massiv die Internet-Freiheit, dass ich Sorge habe, wo das enden wird.

Die Welt wurde so groß in den ersten Jahren des Internet, sie wird inzwischen wieder immer kleiner. Die Menschheit ist dabei, ihre Chance zu vertun; einen großen Teil der Schuld daran tragen die Missbraucher, die gierigen Hacker und Programmierer von Viren, die Spammer, Spanner und Fakes. Es ist kein Wunder, dass virtuelle Ghettos mit Mauer, Zaun und Überwachungskamera entstanden sind, die so versuchen, kriminelles Gelichter fernzuhalten.
Aber welchen Preis zahlen wir dafür? Wehe uns, wenn das kriminelle Gelichter in die Überwachungszentrale gelangt und in aller Ruhe die Kameras und Mikrofone übernimmt. Wie das Jahr 1933 beweist, kann das sogar ganz legal die Macht ergreifen. Auch heute unterliegen zu viele Menschen dem fatalen Irrtum, dass alles, was legal ist, auch moralisch gerechtfertigt und zum Wohl der Gemeinschaft sei. Und was mit ACTA passieren soll, ist noch weit schlimmer. Unter dem Vorwand, die Einkünfte der Künstler zu schützen, versuchen undurchsichtige Kräfte, die Freiheit im Internet bis zur Unkenntlichkeit zu beschneiden.

Es geht um die Milliarden, die die Musik-Anbieter angeblich durch illegale Downloads verlieren. Doch das ist eine Milchmädchen-Rechnung.

Niemand würde alle die Songs, die er illegal heruntergeladen hat, kaufen, wenn das illegale Herunterladen unterbunden würde. Sondern er würde schlicht darauf verzichten! Die großartigen Gewinne, die sich die Musikverlage ausrechnen, sind nichts als eine Chimäre.
1 € für einen Song ist definitiv zu viel für einen Download! Es mag vernünftig sein, eine gebrannte, verpackte, mit einem gedruckten Titelbild geschmückte und an die Läden ausgelieferte CD mit 1 € pro Song zu bewerten. Aber ein Download -- welchen Selbstkostenpreis hat ein herunterladbarer Musik-File? Und welchen Anteil bekommt der Künstler?
Nein, hier soll mühelos verdient werden. Für dieses hohe Ziel nimmt man gern in kauf, dass die Freiheit des Surfens weiter eingeschränkt wird. Und man hat versucht, das in vertraulichen Gremien durchzusetzen. Aber die Hunde haben angeschlagen! Zum Teil verdanken wir es der unvergleichlichen Frau Leutheusser-Schnarrenberger, dass der Anschlag auf die Freiheit der Information misslungen ist. Wären alle in ihrer Partei so drauf wie sie, ich würde sie glatt wählen.
Das Internet gehört unter demokratische Kontrolle, und diese Kontrolle ist dabei, aufgeweicht zu werden. Seien wir wachsam und erinneren wir uns:

Wir sind das Internet.

Wir haben die Macht des Konsumenten. Where do you want to go tomorrow?

Mittwoch, 11. Januar 2012

Das Trauerspiel geht weiter

Ich kann einfach nicht dran vorbeisehen.

In einem Forum über Rechtschreibung fand ich folgenden Satz von dem Kommentator Alexander Trust:
“Die Regelwerke haben sich immer der Sprache angepasst und nur selten ist der umgekehrte Weg begangen worden.”

Mit dem umgekehrten Weg haben wir es allerdings seit der unseligen Reform zu tun. Eine Gruppe von Ministern hat beschlossen, dass Schreibungen neuen Regeln folgen, sie hatten versprochen, es werde sich wirklich nur etwas für die Schreibung ändern, nicht aber für die Sprache.
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die neuen Regeln haben so viel Verwirrung gestiftet, dass ein kompletter Block unserer Sprache abzubrechen droht, der als sprachliches Gestaltungsmittel große Bedeutung hat: Die Getrennt-/Zusammenschreibung. Dies ist ein Bedeutungsträger, der durch nichts anderes ersetzt werden kann. Es ist ein großer Verlust für die Sprache.

Beispiel: “Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüberlaufen.”
Der Duden schreibt zusammen, das Volk trennt alles mögliche, was in ähnlicher Weise zusammengesetzt wird.
“Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüber laufen.”
Niemand überprüft seine Schreibung durch lautes Vorlesen des Geschriebenen, denn dann würde klar werden, dass “laufen” einen zu starken Ton bekommt. Aber da ist irgendwann das Signal ergangen, dass viele früher in einem Wort geschriebenen Begriffe jetzt auseinandergerissen werden dürfen, ist ja auch bequemer, darum erlebt man jetzt die gruseligsten Frakturen.

In spätestens einer Generation wird die Betonung vergessen sein. Damit verschwindet ein ganzer Katalog von Verben aus der Sprache, die das Deutsche früher so plastisch und bildhaft gemacht haben.
"Wir sollten uns noch mal zusammensetzen."
"Wir sollten uns noch mal zusammen setzen." Wird da eine Übung im synchronen Hinsetzen geplant? :-))

Wenn ich den oben zitierten Satz von Trust weiterführe, ist es auch nicht wünschenswert, durch Regeländerungen in die Sprache einzugreifen. Der Schaden, der durch die Reform angerichtet wurde — und zwar mittelbar, durch Imitation und Vermutungen, nicht durch strikte Anwendung –, ist enorm. Man kann sagen, das sei ja nicht die Schuld der neuen Regeln. Aber wer schlägt schon alles nach, was er schreibt, vor allem im flotten Tempo der Internet-Kommunikation? Da versuchen die meisten eher, von den Eckwerten abzuleiten.
Hier wurden Signalfahnen mit verhängnisvoller Wirkung gesetzt, auch wenn das nicht Absicht war.

Montag, 5. September 2011


Die Hafen-City ist ein aufregendes Experiment. Sie ist ein Tummelplatz der modernen Architektur und wird sich in der Zukunft als eine Parade gelungener oder misslungener Konzepte erweisen. Jeder große Wurf trägt in sich die Gefahr des Scheiterns. Und jeder große Wurf ist die Versuchung, der Welt zu zeigen, dass man das scheinbar Unmögliche vollbringt. 
Dies wird von der Zeit relativiert.
Allzu überspannte Bauten, die zuviel Raum überspannen wollten, sind irgendwann der Schwerkraft und/oder dem Winddruck gefolgt. Ich sage nur "Schwangere Auster". Wie die niederkam, das hat eine gewisse Skepsis in die Dauerhaftigkeit solcher Konzepte geboren. Und schließlich kann es ja auch um Menschenleben gehen, je danach, welchen Zeitpunkt sich ein Bau aussucht um niederzukommen. Wie lange es auch dauern mag, bis die Träger durchrosten -- irgendwann tun sie es. Ungestraft versetzt man Mauerwerk nicht in einen schwebenden Zustand. Gegen die Naturgesetze zu bauen geht nicht lange gut -- nicht lange in Zeiträumen, die für Menschen lange dauern. Für die Evolution sind es nur Augenblicke. 
Wir täten gut daran, uns darauf zu besinnen. Jeder Mensch weiß, was Hebelkraft ist, das Lasten Stützen brauchen und dass alles Schwere dem Boden zustrebt. Wie beruhigt oder beunruhigt wohnt es sich in einem Gebäude, das unser unterschwelliges Wissen gegen den Strich bürstet?

Dienstag, 16. August 2011

Mieten - kaufen - wohnen - beleidigen

Die tägliche Zumutung auf VOX

Ein Makler stellt gleich zu Anfang des Kennenlernens fest, daß seine Kundin zu groß ist -- trägt sie doch auch noch hohe Schuhe. Zu was zu groß? Ist das ein Date oder ein Geschäftstreffen? Ich hätte ihm gleich gesagt, machen Sie mit meinem Freund oder meinem Bruder einen Termin -- und wäre gegangen. Daß sie es nicht tut, erklärt sich ja leicht daraus, daß alle diese Szenen eingeübt sind. Damit wären wir bei dem täglichen Großbetrug dieser "Dokus", aber genug. Es geht noch weiter. Sie erzählt, sie lebe in einer WG mit drei Männern; seine Reaktion darauf: "Sie lassen aber auch nichts anbrennen." Geht es noch unverschämter? Jetzt wäre eine Klatsche angezeigt gewesen. Sie war natürlich darauf eingeschworen, kaum merklich zu reagieren, und auch hier endete das Verkaufsgespräch noch nicht.
Abgesehen, daß diese Szenen schlechtes Laientheater sind, was inzwischen jeder weiß -- dadurch, daß sie als Realität daherkommen, wirken sie als Vorbilder für Denk- und Verhaltensweisen, die nachgeahmt werden. Die Dreistigkeiten des Maklers bleiben ungestraft stehen, während diese junge Frau im realen Leben wahrscheinlich ganz anders geantwortet hätte, wenn ihr jemand auf diese Weise dumm gekommen wäre, mit "sag' mal, tickst du nicht richtig? Denkst du, ich treib's mit jedem?" und die Alternative wäre das übliche Geprolle gewesen, von dem man ohnehin oft genug wegzappen muß.

Fazit: Der Zynismus der Macher solcher Sendungen hat inzwischen ein Niveau erreicht, wo sie sich hemmungslos aus der untersten Schublade des Sexismus bedienen. Möglicherweise merken die Script-Autoren solcher Sendungen es nicht einmal mehr. Täten sie es, sie würden -- oder sollten -- sich schämen.

Dienstag, 14. Juni 2011

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Brötchen holen, bekommen sie aber nur, wenn Sie dem Club des Bäckers beitreten.

Wird das Internet mehr und mehr zu einem Clubsystem?
Ich werde hier und da in Communities eingeladen -- nein, das sind keine Einladungen, das sind Forderungen. Ich bekomme nur Zugang, wenn ich mich registriere. Persönliche Daten als Eintrittskarte.

Diese Entwicklung stinkt mir. Sie nennen es wohl Web2.0. Allein diese Bezeichnung unterstellt etwas, was dem Internet eigentlich fremd sein müßte. Es gibt nicht "einen Entwickler" des Internets. Es gibt zwar Standards, aber sie sind nicht zwingend; wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert lediglich, daß weniger Benutzer seine Seiten sehen können. Das erzieht.

Darum liebe ich das Bloggen und will in dieser Welt umherwandern. Das ist wie Wandern in der freien Natur, wo es das Recht auf den Weg gibt. Kein Bitten um Einlaß, niemand fragt uns, wer wir sind, wir stellen uns Fremden freiwillig vor oder auch nicht.
Das Internet ist für die Menschen in China, Ägypten, Tunesien und in vielen anderen Ländern eine wichtige Waffe im Kampf um Freiheit -- und wir geben den unregistrierten Zugang ohne Not auf?
Wir sollten wachsam sein, wo es Versuche gibt, unsere Freiheit zu beschneiden.

Ich trete keiner Community bei, die eine Mitgliedschaft für das reine Lesen verlangt (klar, ich bin ein Mitglied von Blogger/Google, aber Sie können meinen Blog lesen und kommentieren, ohne sich registrieren zu müssen!)
Helfen Sie mit, das Internet gegen Einschränkungen zu verteidigen. Es muß ein freies Land bleiben.

In Sachen Facebook bin ich allerdings abtrünnig geworden. Ich habe meinen Vorsatz gebrochen.
Man kommt einfach nicht dran vorbei.

Donnerstag, 17. März 2011

Wie man mit der Katastrophe umgeht

Es ist eingetreten, was immer als unmöglich galt. Und unsere Trauer gilt allen Opfern, unser Mitgefühl und unser Respekt denen, die sich gerade opfern.

Das ist eine Tragödie, und niemand freut sich, wenn seine Prophezeihung in Erfüllung gegangen ist. Häßlich ist aber das Gezappel, das jetzt bei denen einsetzt, für die Canossa eigentlich in Nordjapan liegen müßte, für alle, die das für unmöglich hielten, was jetzt passiert.

Besonders häßlich ist es, wenn eine Frau Homburger von den Liberalen das Wort "Gegengesellschaft" für Rot-Grün verwendet. Das Wort "Gegengesellschaft" ist wohl kaum anzuwenden auf einen Teil der Gesellschaft, der sich ebenfalls auf eine demokratische Legitimation stützt.

Und noch häßlicher ist es, wenn die Regierungsparteien die Äußerungen der Opposition abwehren, indem sie schreien, die rot-grüne Regierung hätte ja auch schon alles abschalten können. Das paßt wirklich nicht zu den Versuchen, die Laufzeiten doch noch über eine dreimonatige Schnellprüfung zu retten.

Alle Risiken ausschließen? Wir sollten aufhören, die Risiko-Kalkulation auf denkbare Risiken stützen zu wollen. Bei jedem GAU sind die Betreiber überrascht worden. Die real eingetretenen Schadensfälle beruhten auf unkalkulierbaren Umständen, zum Beispiel gleichzeitig eintretenden Ereignissen, die man bisher nur einzeln kalkuliert hat. Es können auch Ereignisse eintreten, an die wir jetzt alle noch nicht denken.

Wahrscheinlichkeiten jedenfalls berechnen Menschen immer wieder völlig falsch.

Dienstag, 1. März 2011

Wahl in Hamburg — die große Ratlosigkeit

Die Wahlen in Hamburg glänzten durch eine sehr niedrige Wahlbeteiligung. Sie sinkt stetig — hätte nicht das neue Wahlrecht endlich Engagement wecken müssen? Fördern nicht die neuen Möglichkeiten die Lust am Mitwirken durch den Bürger?
Die erfreuliche Seite des geänderten Wahlgesetzes ist zwar, dass ich nun auch hinten plazierten Parteisoldaten meine Stimme geben kann, ohne mich an die Hitliste der Partei zu halten. Diese Freiheit hat aber einen hohen Preis. Jetzt aber wird es kompliziert: Ich finde die Kandidaten meiner Wahl nur schwer in den langen Listen wieder — vier verschiedene Stimmhefte in A4, was für ein Berg Papier! — und das Wählen hält mich sehr lange in der Kabine fest.
Am problematischsten aber — und das ist nicht die Schuld des Wahlgesetzes! — ist die Unmöglichkeit, sich vorher im Internet über die Kandidaten und ihre Themenschwerpunkte zu informieren. Nur die Linke stellt ihre Kandidaten auf der Website einigermaßen gescheit vor: Ein Foto, eine kurze Erklärung zu den Kernkompetenzen.
Da wünscht man sich eine digitale Wahlmöglichkeit. Laptops mit Intranet in der Wahlkabine, Listen mit Kandidatenbildern und Hauptaussage in kurzer Form; hier könnte man auch durch Hinweise verhindern, dass zuviele Kandidaten angekreuzt werden — bei 5 Stimmen auf mehreren Seiten verzählt man sich auch leicht.
Wählen nach Augenschein und Sympathie — eine Horrorvorstellung? Bitte keine Illusionen: Das tun wir sowieso. Ein wenig mehr Inhalte könnten so sogar besser transportiert werden als bei der gegenwärtigen Lage.

Diesen Text habe ich bereits als Kommentar in Carta eingestellt.

Samstag, 22. Januar 2011

Deutsch im freien Fall -- neue Folge

kennt wer von äuch seiten wo man themes downloaden kann?

Autsch. Das sollte "euch" heißen.
Das hat die deutsche Sprache nun von ihrer aufwändigen Reform. Solche und ähnliche Gämsen habe ich schon mehrfach gefunden. Läuchten oder läugnen, wenn ich mich recht erinnere. Man sollte das sammeln und den Urhebern -- nicht den Schreibern! Den Reformern! -- um die Ohren klatschen.