Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Sonntag, 18. Januar 2015

Was will Pegida? Ja, was wollen die denn hier?

Da immer wieder auf die 19 Punkte der Pegida hingewiesen wird, habe ich mir mal die kleine Mühe gemacht, sie einen nach dem anderen zu zerpflücken. Es sind durchweg überflüssige, heuchlerische oder in ihrem gedanklichen Kern undemokratische Gedanken, die ich hier mal kritisch geunwürdigt habe. Meine Meinung ist in Rot gefasst, das ist wahrscheinlich reiner Zufall.


Punkt 1 - Kriegsflüchtlinge

PEGIDA ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht


Heuchelparagraph. Das steht sowieso fest.

Punkt 2 - Recht auf/Pflicht zur Integration

PEGIDA ist FÜR die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert)!


Eine "Pflicht zur Integration" darf es nicht geben, denn erstens verstößt das gegen die freie Entfaltung, die ein Mensch kulturell bei uns genießt, zweitens ist die Integration ja sowieso im Interesse eines Menschen, der aus dem Ausland kommt, oft notgedrungen; und wenn die scheitert, ist das überwiegend die Folge der Unfreundlichkeit des Gastlandes. Damit meine ich auch andere Europäer.

Die Forderung nach einer "Pflicht zur Integration" ist wie jemand die Treppe runterschubsen und ihm nachzurufen, warum er denn so schnell läuft.


Punkt 3 - dezentrale Unterbringung


PEGIDA ist FÜR dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen!


Wie stellt ihr euch das vor? In Familien? In eurer vielleicht? Na, dann stellt mal Räume zur Verfügung. Das ist aber auch wieder so ein Heuchelparagraph, der so tut, als hättet ihr Sympathien oder gar Mitgefühl. Es ist aber für Menschen, die mit Gewalt aus ihrem sozialen und kulturellen Zusammenhang gerissen worden sind, sehr wichtig, wieder mit Landsleuten zusammenzutreffen und sich mit ihnen gemeinsam Mut zu machen. Die Möglichkeiten, einander zu treffen, sind für ihr seelisches Überleben in der Fremde absolut notwendig.


Punkt 4 - gesamteuropäischer Verteilerschlüssel

PEGIDA ist FÜR einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten! (Zentrale Erfassungsbehörde für Flüchtlinge, welche dann ähnlich dem innerdeutschen, Königsteiner Schlüssel die Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt)


Damit die ärmeren Länder unverhältnismäßig große Lasten schultern müssen? Deutschland hat die ökonomische Kraft, um noch viel mehr Leute aufzunehmen.

Punkt 5 - Senkung Betreuungsschlüssel

PEGIDA ist FÜR eine Senkung des Betreuungsschlüssels für Asylsuchende (Anzahl Flüchtlinge je Sozialarbeiter/Betreuer – derzeit ca.200:1, faktisch keine Betreuung der teils traumatisierten Menschen)


Wäre doch eine Idee, aus euren Reihen Leute zu suchen, die die entsprechende Ausbildung haben und vielleicht mal ehrenamtlich ein paar Stunden herzuschenken.

Punkt 6 - Aufstockung Mittel für BAMF

PEGIDA ist FÜR ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell und bis zur Einführung dessen, FÜR eine Aufstockung der Mittel für das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) um die Verfahrensdauer der Antragstellung und Bearbeitung massiv zu kürzen und eine schnellere Integration zu ermöglichen!


... und hoffentlich die Maßstäbe für die Anerkennung nicht gar zu eng zu fassen.

Punkt 7 - Aufstockung Mittel für Polizei

PEGIDA ist FÜR die Aufstockung der Mittel für die Polizei und GEGEN den Stellenabbau bei selbiger!


Ja, das fordern auch die Grünen und andere.

Punkt 8 - Ausschöpfung und Umsetzung Gesetze

PEGIDA ist FÜR die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung!


Ich habe noch nie davon gehört, dass diese nicht ausgeschöpft würden. Eher auf übereifrige Weise.

Punkt 9 - Null Toleranz gegen Straffällige

PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!


Die muss dann aber im Sinne der Gleichheit vor dem Gesetz auf alle ausgedehnt werden. Und da könntet ihr euch arg schneiden. 3 Jahre Knast für einmal Scheibe einwerfen? Abschiebung für einen abgelaufenen Ausweis? Ihr macht mir Spaß.

Punkt 10 - gegen frauenfeindliche, gewaltbetonte Ideologie

PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!


Ja, wer könnte das nicht unterstreichen. Dafür gehen Menschen schon seit über 100 Jahren auf die Straße. Am schnellsten geht es aber voran, wenn man die demokratischen Entwicklungen in den Herkunftsländern nicht stört und wenn man Frauen auf einem eigenen Weg zwar unterstützt und sie vor Gewalt schützt, aber nicht so, dass das Gegenteil bewirkt wird.


Punkt 11 - Zuwanderung nach Vorbild...

PEGIDA ist FÜR eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas!


Ausgerechnet diese Reiche der Herzlosigkeit. Das wäre eine Schande für Deutschland.

Punkt 12 - sexuelle Selbstbestimmung

PEGIDA ist FÜR sexuelle Selbstbestimmung!


Ganz was Neues. Ich bin beeindruckt. Wie soll das aber in den Herkunftsländern erreicht werden? Hierzulande ist das doch sowieso anerkanntes Ziel. Also: Was ist das Neue, und wie soll das mit politischen Mitteln erreicht werden? Wollt ihr in die muslimischen Familien gehen und dort sexuelle Selbstbestimmung predigen? Viel Glück.

Punkt 13 - Erhaltung und Schutz Abendlandkultur

13. PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!


Wo seid ihr denn christlich? Allenfalls missionarisch. Wenn ihr wollt, dass die meisten Menschen eine Religion haben und auch praktizieren, sie ernst nehmen und sich nach ihrem Ethos richten, dann entsprechen wohl am ehesten die Muslime diesem Maßstab. Denn solange die wenigsten Menschen hierzulande das tun, was in der Bibel steht (Sie essen Schweinefleisch? Na, dann lesen Sie mal in den Büchern Mose im Alten Testament nach. Das Alte Testament ist nicht so wichtig? Ja, wozu haben wir es dann?), steht die Behauptung einer christlich-jüdisch geprägten Kultur auf sehr schwachen Füßen. Und das, was Muslime tun und lassen, ist jedenfalls wesentlich näher an Jesus dran als unsere Alltagsrealität.
Ein solcher Verweis belegt für mich ganz klar, dass die Schreiber von Punkt 13 nicht die geringste Ahnung von den Übereinstimmung der Glaubensinhalte der drei Religionen haben.


Punkt 14 - Einführung von Bürgerentscheiden

14. PEGIDA ist FÜR die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!


Entscheiden oder Entscheidungen? Manchmal hat das Parteiensystem doch seine Vorteile, denn das Volk sieht nicht den Gesamtzusammenhang und die Folgen einer Forderung.

Punkt 15 - Keine Waffenlieferungen...

PEGIDA ist GEGEN Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK


Ausgerechnet PKK. Da seid ihr nun gegen Islamismus, und die PKK ist es auch. Nicht nur die "guten" Kurden kämpfen gegen Islamismus. Die PKK hat seit langer Zeit für politische und kulturelle Eigenständigkeit der Kurden gekämpft. Ja, mit gewaltsamen Mitteln. Auf dem Boden eines Staates, der ihre Sprache und Kultur seit langer Zeit unterdrückt. Es ist der türkische Staat, der die Kurden kollektiv verdächtigt. Und der den IS-Kandidaten aus Europa freie Durchfahrt durch die Türkei genehmigt hat. Also, bisschen besser informieren hilft.

Punkt 16 - Parallelgesellschaften...

PEGIDA ist GEGEN das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.


Die sind nicht als Entscheider in Strafsachen zugelassen. Hingegen wie sich Leute in zivilrechtlichen Konflikten helfen lassen, wie sie Eigentums-, Partnerschafts- oder Nachbarschaftskonflikte lösen und wer ihnen dabei hilft, das ist ihre Sache. Es gibt ja auch Schlichtungsgespräche in Schulen, inzwischen eine feste Einrichtung. Soll damit auch Schluss sein?

Punkt 17 - Genderisierung

PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige "Gender Mainstreaming”, auch oft "Genderisierung” genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!


Das ist aber nun wirklich ein Nebenschauplatz. Und es wundert mich auch, dass ausgerechnet die Kritiker der Islamisierung etwas dagegen haben, wenn eine Ingenieurin "Ingenieurin" genannt wird.
Ging es nicht auch darum, die Gleichberechtigung der Geschlechter in Schutz zu nehmen gegen die Unterdrückung der Frau, wie sie dem Islam angekreidet wird? Genderisierung ist das Bemühen, diese Gleichberechtigung in der Sprache zu verankern, ob nun gelungen oder nicht; aber diese Absicht geht doch gerade in dieselbe Richtung, die Pegida auch einschlagen wollte, also belustigt mich dieser Grabenkampf als Zeichen von Unausgegorenheit.
Was wollt ihr denn eigentlich?


Punkt 18 - Radikalismus

PEGIDA ist GEGEN Radikalismus egal ob religiös oder politisch motiviert!



Aha... auch gegen sich selbst? Denn etliche dieser Forderungen sind insofern radikal, als sie mehrfach die Tatsache vergessen, dass alle vor dem Recht gleich sind.

Punkt 19 - Hassprediger

PEGIDA ist GEGEN Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!

Auch das ist absolut überflüssig. Niemand ist für Hassprediger, denn sie selber und ihre Anhänger betrachten sie nicht als Hassprediger, sondern als Fürsprecher ihrer Überzeugung. So gesehen sind auch die Sprecher von Pegida Hassprediger.
Natürlich steht nirgendwo "Wir hassen Ausländer". So dumm sind sie nicht. Aber unterschwellig liegt jedem Paragraphen die Überzeugung zugrunde, dass Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge Menschen mit weniger Rechten sind und bleiben sollen. Es wird auch nicht ausdrücklich unterschieden zwischen Asylbewerbern und Asylanten, die das Recht auf Asyl verbrieft bekommen haben. 


Von seiner Schwingung her ist dies ein Dokument der Herzlosigkeit, dem Null Verständnis für die Lebenswirklichkeit von entwurzelten Menschen zugrunde liegt. Das überrascht nicht, da ja offenbar diese Konzepte von Leuten geschrieben sind, die noch nie Kontakt mit Ausländern hatten -- und ich meine nicht, mal so eben auf der Straße, sondern lange Gespräche geführt und bei ihnen zu Hause zu Besuch gewesen zu sein. Das Lächerlichste daran überhaupt ist, dass solche Forderungen wie diese 19 Punkte ausgerechnet aus der Ecke Deutschlands kommen, die am allerwenigsten Kontakt mit dem "Problem" haben.
Leute, ihr habt ein ganz anderes Problem.
Findet heraus, was es ist, und meldet euch dann wieder!


Donnerstag, 15. Januar 2015

Mohammed ist jetzt Freiwild

Welche Freiheit ist wirklich in Gefahr?
Armer Prophet. Nun die jüngste Erniedrigung. Vom Gründer einer Weltreligion zum Apologeten der Anbeter der Freiheit.

Sie sind ja alle solche Freigeister, solche Skeptiker, solche rasend intelligenten Durchblicker, die Leute, die das Schild "Ich bin Charlie" hochhalten. Sie haben Null Verständnis dafür, dass jemand religiös empfinden könnte. Dass er sich mit einer zentralen Gestalt seiner Religion, seines Glaubens so stark identifiziert, dass es schlimmer ist, als würde man seinen Vater beleidigen.
Mein erster Mann und ich 1992.
Ja, ich bin parteiisch. Und nein,
ich bin nicht Muslima.
Ich bin nicht Muslima. Ich bekenne mich zum Buddhismus. Dieser gehört bekanntlich nicht zu den zwei Religionen, die vom Islam toleriert werden, das sind das Judentum und das Christentum, die damit zusammen die Drei Buchreligionen bilden. Trotzdem habe ich von meinem damaligen Ehemann eine erstaunliche Toleranz erlebt, es gab keine Konflikte oder Bekehrungsversuche. Das lag wohl daran, dass der Buddhismus in vielen Punkten ähnliche Antworten gibt wie der Islam und sich in ihnen in gleicher Weise vom weltlich-westlichen Lebensstil absetzt. Und auf eine Frage von einem teetrinkenden Beisitzer im Standesamt von Kisla Mahallesi, Adana, Türkei, ob ich Muslimin werden würde, antwortete er diplomatisch: "Sie überlegt es sich". In der Türkei und in türkischen Institutionen in Deutschland sind teetrinkende Beisitzer eine feste Größe. Sie haben in den seltensten Fällen etwas zu sagen, sind nur auf eine Plauderei mit dem Amtsinhaber vorbeigeschneit, sollten aber nicht verärgert werden, denn man weiß nie, ob man nicht mal bei ihnen Tee bekommt. Und dann kann es um ein wichtiges Thema gehen.
In den Teestuben rund um den Globus dürfte eine einhellige Meinung herrschen, was das Attentat betrifft: Das war unmöglich und verdammenswert. Nicht allein, weil da Menschen gestorben sind. Natürlich, das vor allem. Aber  auch deshalb, weil man den Muslimen in aller Welt, die in einem Gastland leben, wieder ein Stück moralisches Recht unter den Füßen weggezogen hat. Und auch, dass die Provokationen weitergehen, dazu jetzt im Brustton der Überzeugung, das dürfte für einige Bitterkeit sorgen. Denn eines ist ja nicht "pardonné": dass der Prophet überhaupt dargestellt wird. Es gehört zu den heiligen Sitten der Islamischen Kunst, den Propheten gar nicht oder allenfalls mit einem verschleierten Gesicht darzustellen.
Der Islam ist nicht humorlos. Muslime machen sich über alles Mögliche lustig, wie in der ZEIT zu lesen war. Nur sind ihnen einige Dinge eben doch heilig, mehr als uns.
Bei der Radikalität, die sich in vielen Meinungen ausdrückt, kommen einem Zweifel, ob ein säkulares Denken wirklich gleichzusetzen ist mit Toleranz und intellektueller Überlegenheit. Dabei ist der missionarische Eifer, mit dem viele gegen alle Religionen zu Felde ziehen, nicht so weit entfernt von dem der Fundamentalisten aus verschiedenen Glaubensbekenntnissen. Und er ist auch keineswegs weniger politisch.
Die größte Statue, die in der westlichen Welt angebetet wird, ist der Götze der Freiheit. Und wir arbeiten uns an der Erhaltung eines kleinen Eckchens ab, an dem diese Freiheit angeblich in Gefahr ist. Dabei kommt von hinten eine ganz andere Gefahr für die Demokratie. Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen, dass die Wählermeinung immer weniger bewirkt, dass sie immer weniger durchsetzen kann, was die meisten Leute wollen? Fast niemand will Atomkraft, aber immer weniger Leute wählen die Partei, die dafür eintritt. Niemand will genetisch manipulierte Nahrungspflanzen, aber ein Verbot ist schlicht nicht durchsetzbar. Niemand will Fracking, aber ein Verbot ist nicht durchsetzbar. Wir sind ja gar nicht Bürger demokratischer Staaten. Wir sind Konsumenten auf einem Spielplatz mit ein paar pseudodemokratischen Spielsachen. Und weil die wenigsten Bürger das begriffen haben, artikuliert sich ihr Unbehagen nicht oder nicht richtig. Dann verbeißen wir uns in die nächstliegenden Verdächtigen, aber wir konfrontieren uns nicht mit Big Oil, Big Pharma, Big Farming. Und die aufregenden kleinen Scharmützel auf unserem Spielplatz -- blonde Kinder gegen schwarzhaarige Kinder -- sind ein Kleinkrieg, der den wahren Nutznießern der Uneinigkeit gerade recht kommt.