
Das ß hat auch im Deutschen ursprünglich überhaupt nichts mit der Länge oder Kürze des gesprochenen Vokals zu tun! Das war eine absolute Randerscheinung und eine kleine Hilfe im Lese- und Schreibunterricht, aber der Zweck des ß war, ein Schluß-S zu sein und anzuzeigen, wo ein Sinnabschnitt in einer Wortverbindung lag. Zu Zeiten der Fraktur war das eine nicht zu unterschätzende Lesehilfe, zumal in der Fraktur das kleine “f” eine Ähnlichkeit mit dem langen “s” aufweist. Die Heysesche Schreibung vor 100 Jahren nahm Bezug auf die Aussprache, aber auch die ist landschaftlich variabel, der Bayer sagt "daaß".
Warum nun heißt es “Eszett”? Das kommt daher, daß es in der Gotik ein kleines Schluss-S gab, das sehr viel Ähnlichkeit mit einem kleinen “z” hatte. Wenn man sich spätgotische Handschriften ansieht, wird man es finden. Es war nicht viel mehr als ein nach links geöffneter Bogen und wurde mit dem langen “s” zu einer Ligatur zusammengezogen. Eine gewisse Rolle als Vorlage könnten auch die vielfach in lateinischen Texten vorhandenen Abkürzungszeichen spielen. Später, in der von der spätgotischen Kanzleischrift abgeleiteten “Deutschen Schrift” und “Sütterlin”, verwendete man tatsächlich ein “z”, um es mit dem langen “s” zu koppeln. Die Herkunft von einem Doppel-S geriet in Vergessenheit.
Das ß wurde also, wie ich gezeigt habe, nicht als Lautanzeiger geschaffen, sondern lediglich von den ungebildeten Schöpfern der neuen Schreibung dazu ernannt. Deshalb ist es absolut korrekt, in einer Reihe von Großbuchstaben zu schreiben: “MASSGESCHNEIDERT”, “FUSSBALL” oder “FLOSSREISEN”. Wenn sich jemand daran stört, ist es jedem erlaubt, eine gemischte Schreibung statt Großbuchstaben zu verwenden: Maßgeschneidert, Fußball, Floßreisen.
Leider neigt sich die Waage in den letzten Jahren in Richtung eines Großbuchstaben ß, vielleicht, weil sich das ß zunehmend zu einem Vokalanzeiger entwickelt hat. Ich hoffe sehr, dass vor allem im Zuge einer zunehmenden Internationalisierung, dieser Trend nicht durchsetzen wird.
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