Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Montag, 22. Oktober 2012

Die Farce aus dem Eis -- revisited

Zeichnung von mir nach Zeitungsbild
Wenn es nicht so komisch wäre, müsste man ernsthaft um die Altertumsforschung in Mitteleuropa weinen. Allein schon die Mühen, die sechsstelligen Summen, die die Erhaltung des Leichnams kostet, seit er aus dem Eis heraus ist. Wie erklären wir uns, dass es 5300 Jahre lang geklappt hat mit seiner Konservierung -- kein Schimmel, keine völlige Zerstörung -- und im Museum haben sie die Hölle damit, ein Klima zu schaffen, das den Körper nicht binnen Monaten unkenntlich macht? Dieser Körper ist auf keinen Fall im alpinen Klima erhalten geblieben, sondern in einem wesentlich trockeneren. Ich favorisiere die Steppen-Theorie, wonach er ein Vorfahr der Skythen, Sarmaten oder frühen Iraner gewesen wäre. G2a2 war die eine Haplogruppe, von der man las. Dann kam G2a4, was ihn sehr weit nach Osten verweist. Mageninhalt und Erscheinung stehen dazu in keinem Widerspruch! Und plötzlich wird er in K1 eingestuft -- da hätte er keine modernen Nachfahren in Europa. Also muss eine eigens für ihn geschaffene Haplogruppe K1ö geschaffen werden. Nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf -- oder dass sein kann, was sein soll. Das Ganze ist eine riesige Farce.

Der Eismann gibt mir weiter Rätsel auf. Ich spekuliere also mal. Die genetische Einordnung ist K1, keine Verwandten im heutigen Europa, aber in Vorderasien... Wie kam er in die Alpen? Alle rein körperlichen Befunde am Ötzi ohne Berücksichtigung der Artefakte/Artefakes ergibt keinen Widerspruch zu einem Ursprung im Herkunftsgebiet der Skythen/Sarmaten/frühen Iraner.
Nahrung: Hirsch und Steinbock (in Asien sehr ähnlich wie in den Alpen), Getreide Emmer und Einkorn (vorderer Orient und Kleinasien ebenso wie in Mitteleuropa) Abschleifung der Zähne weist auf Steinmehl durch Getreide-Mahlsteine hin. Braune Augen und Haare, Laktose-Intoleranz (Asien). Das Gras: "unerwartete Pflanzen", "arktische Mumie" (Der Mann im Eis, neue Funde und Ergebnisse). Die Tätowierungen -- Verbindung mit den Skythen?
Ich denke da eher an jemanden, der in der Kurgan-Zone in der Ukranie oder Südsibirien den Trocknungszustand erlangt hat. Hautzustand: Vergleiche mit Pazyryk-Mumie (ca. 500 v.Chr.), ebenfalls tätowiert, aber deutlich kunstreicher.
Die Pfeilspitze in seiner Schulter war angeblich kein einheimischer Stein der Alpen. Woher kam dieses Material?

Hier http://dienekes.blogspot.de/2011/09/otzi-tyrolean-iceman-belonged-to-y.html finden wir eine weitere genetische Auskunft, nämlich G2a4. Diese verweist wiederum nach Asien. Allenfalls Sardinien steht dem nah, sonst keiner. Nun klammert man sich also an Sardinien. Dabei weist G2a4 noch weiter nach Osten, nach Sibirien. Und das passt wiederum zum Grasbefund. Man kann ihn sich also eher als Hunnen vorstellen. Bei K1 wäre er sehr viel europider nach moderner Vorstellung, die Rekonstruktion der Skythenfrau würde demnach in seine Verwandtschaft passen. Dann hätte er aber einen Weg von der heutigen Nordukraine bis in die Alpen zurückgelegt. Eine solche Migration lässt sich eigentlich erst in den berittenen Geschichtsepochen vorstellen, um die es sich hier noch nicht handelt.

Entweder muss die Geschichte Europas neu geschrieben werden oder der Ötzi ist aus einem Helikopter in das Wasserloch gefallen.


Und hier Genaueres über die genetische Analyse: http://journals.ohiolink.edu/ejc/search.cgi?q=id%3A09609822%2Fv18i0021%2F1687_cmgsotti&pagesize&mlt=y



Montag, 27. August 2012

Ich weiß besser als du, was du suchst

Eigentlich ist Google meine liebste Suchmaschine, ich gehe so weit zu sagen, meine einzige. Die jüngeren Nutzer des Internets wissen nicht mehr, wie das war, als man nur über Kategorien und Seitentitel suchen konnte! Ja, der Seitentitel ist der Titel, der im Kopf einer Seite als Subtext eingegeben wird und dann im einem kleinen Fach des Browserfensters erschien, als die Browser noch keine Tabs hatten... Nee, hatten sie früher nicht! Und damals erschienen dann als Suchergebnis Überschrift und URL. Ja, wo war dann die Textstelle, die dem Suchbegriff entsprach? Haha, jetzt ging man daran, lustig die Site zu durchsuchen, bis der Inhalt gefunden war, wegen dem man sich zu Fuß durchs Internet begeben hat.
Ich erinnere mich daran, dass ein Pionier der digitalen Welt, bei dem ich damals arbeitete, mir in den frühen Neunzigern davon erzählte, dass nun auch eine Suchmaschine erprobt werde, die Volltext suchen kann. Die auf x-beliebige Textpartien zugreifen und das Ergebnis anzeigen kann. Sie glauben nicht, was das für eine Revolution war.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem jede Revolution spätestens binnen 5 Jahren eine Selbstverständlichkeit ist.

Nun aber werde ich zunehmend unzufrieden mit Google. Das ergab sich während meiner Suche nach einem Buch, das ich mal besessen und irgendwo habe stehen lassen. Typografischer Atlas. Ich gab es ein -- nein, Google beharrte darauf, dass es "fotografischer Atlas" heißen müsse. Erst der Umstand der erweiterten Suche ließ mich in Frieden und teilte mir mit, den gäbe es nicht. Himmelherrgott, ich habe das Buch vor 25 Jahren gekauft, das kann doch nicht dargestellt werden, als hätte es das nie gegeben! Nein, Google versucht starrsinnig, mir andere Ergebnisse reinzudrücken, als wäre es peinlich, zu wenige Ergebnisse zu haben. Es drängt mir verkäufliche Ergebnisse auf und verschweigt mir möglicherweise Ergebnisse, so mein Verdacht.
Bislang habe ich dieser Suchmaschine vertraut, und ich werde sie weiter täglich benutzen. Aber irgendwie ist ein Stich drin.

Freitag, 17. Februar 2012

Rettet das Internet!

Warum muss man etwas retten, was so offensichtlich blüht und gedeiht?

"Wohin willst du heute gehen?" fragte Microsoft vor vielen Jahren. Tatsächlich sah das Internet damals aus wie eine weltweite, frei begehbare Sphäre, wenn auch die Navigation darauf beruhte, dass man entweder die Adresse auf anderen Wegen erfuhr, aus Printmedien, durch persönliche Mitteilung oder durch Links auf anderen Seiten, z.B. auf den inzwischen kaum noch bekannten, damals aber mit Mühe und Liebe gepflegten Linklisten. Diese sind durch die modernen Suchmaschinen revolutioniert worden. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Volltextsuche das Internet gewandelt hat. Können Sie sich noch hineinversetzen, wie es war, ausschließlich in Schlagwort-Katalogen zu suchen, die sich allein auf den Titel beriefen, und dann noch einmal die Inhalte nach den gewünschten Fakten zu durchsuchen?
Und erinnern Sie sich, was für eine ungeheure Erleichterung es war, als Google seinen Betrieb in Deutschland aufnahm?
Das waren goldene Zeiten, denn die Flash-Banner hatten sich noch kaum durchgesetzt, aber damals entstand schon der Trend, die Sites mit Werbung vollzukleistern, wogegen man sich mit Flash-Blockern oder doch mit beharrlichem Ignorieren wehrte. Man klickte Werbung nicht an, basta.
Was aber wären Medien ohne Werbe-Einnahmen? Angeblich würde ja das Internet nicht existieren, wenn es keine Werbung gäbe, obwohl ich ja ca. 30 Eur pro Monat für mein Internet+Telefon abdrücke.
Wie auch immer, die Werbebranche hat die mangelnde Effizienz der Banner erkannt und sich aufs Datensammeln verlegt.

Hätten wir doch nur fleißig die Werbebanner angeklickt! Denn unsere Verweigerung gebar ein weiteres Internet-Monster: Das Datensammeln durch Registrationszwang.

Und jetzt gab es kein Halten mehr. Wenn man irgendwo einen kleinen Kommentar abgeben möchte oder seine Meinung sagen, dann kommt von irgendwo her ein Formular, das mir das Registrieren nahlegt. Man kann mich natürlich nicht zwingen, dann behalte ich meine Meinung eben für mich.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen auf der Straße einfach nur mal Ihre Meinung sagen, müssen in diesem Fall aber auch Ihren Ausweis zeigen, sonst hält man Ihnen das Mikrofon gar nicht erst hin.

So ungefähr verhält es sich im Internet. Ob Sie in Facebook etwas beisteuern wollen, ob Sie in Ihrer Tageszeitung online mitdiskutieren wollen oder ein Foto kommentieren möchten -- Sie werden in den meisten Fällen um den Ausweis gebeten. Mein Passwörterbuch enthält inzwischen viermal, fünfmal so viele Adressen wie das der realen Welt. Einfach, weil ich der Typ bin, der sich heute auf dieser, morgen auf jener Websiten umschauen möchte.

Where do you want to go today?

Für die meisten heißt die Antwort mit schöner Regelmäßigkeit Tag für Tag: "auf Facebook". Man hat sein Portal und bewegt sich ausschließlich innerhalb dessen. Das virtuelle Dorf ist für die User eine Heimat geworden, in der sie jeden Tag vertraute Gesichter sehen können, ganz so, wie es früher im Dorf war. Schauten sie dort über den Zaun und fragten nach dem zahnenden Jüngsten und der rheumatischen Oma, so sieht man sich auch heute jeden Tag, wenn auch virtuell. Das Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen Gartenzaun und Webcam, es belohnt beide Kontakte mit einem Wohlgefühl. Unser innerer Neandertaler scheint einen enormen Nutzen aus der Wahrnehmung der immer gleichen Mitmenschen zu ziehen, er schließt daraus auf Beständigkeit und Sicherheit. Sie sind noch da, sie haben mich nicht verlassen.

Dieses Bedürfnis nach Sicherheit konterkariert inzwischen so massiv die Internet-Freiheit, dass ich Sorge habe, wo das enden wird.

Die Welt wurde so groß in den ersten Jahren des Internet, sie wird inzwischen wieder immer kleiner. Die Menschheit ist dabei, ihre Chance zu vertun; einen großen Teil der Schuld daran tragen die Missbraucher, die gierigen Hacker und Programmierer von Viren, die Spammer, Spanner und Fakes. Es ist kein Wunder, dass virtuelle Ghettos mit Mauer, Zaun und Überwachungskamera entstanden sind, die so versuchen, kriminelles Gelichter fernzuhalten.
Aber welchen Preis zahlen wir dafür? Wehe uns, wenn das kriminelle Gelichter in die Überwachungszentrale gelangt und in aller Ruhe die Kameras und Mikrofone übernimmt. Wie das Jahr 1933 beweist, kann das sogar ganz legal die Macht ergreifen. Auch heute unterliegen zu viele Menschen dem fatalen Irrtum, dass alles, was legal ist, auch moralisch gerechtfertigt und zum Wohl der Gemeinschaft sei. Und was mit ACTA passieren soll, ist noch weit schlimmer. Unter dem Vorwand, die Einkünfte der Künstler zu schützen, versuchen undurchsichtige Kräfte, die Freiheit im Internet bis zur Unkenntlichkeit zu beschneiden.

Es geht um die Milliarden, die die Musik-Anbieter angeblich durch illegale Downloads verlieren. Doch das ist eine Milchmädchen-Rechnung.

Niemand würde alle die Songs, die er illegal heruntergeladen hat, kaufen, wenn das illegale Herunterladen unterbunden würde. Sondern er würde schlicht darauf verzichten! Die großartigen Gewinne, die sich die Musikverlage ausrechnen, sind nichts als eine Chimäre.
1 € für einen Song ist definitiv zu viel für einen Download! Es mag vernünftig sein, eine gebrannte, verpackte, mit einem gedruckten Titelbild geschmückte und an die Läden ausgelieferte CD mit 1 € pro Song zu bewerten. Aber ein Download -- welchen Selbstkostenpreis hat ein herunterladbarer Musik-File? Und welchen Anteil bekommt der Künstler?
Nein, hier soll mühelos verdient werden. Für dieses hohe Ziel nimmt man gern in kauf, dass die Freiheit des Surfens weiter eingeschränkt wird. Und man hat versucht, das in vertraulichen Gremien durchzusetzen. Aber die Hunde haben angeschlagen! Zum Teil verdanken wir es der unvergleichlichen Frau Leutheusser-Schnarrenberger, dass der Anschlag auf die Freiheit der Information misslungen ist. Wären alle in ihrer Partei so drauf wie sie, ich würde sie glatt wählen.
Das Internet gehört unter demokratische Kontrolle, und diese Kontrolle ist dabei, aufgeweicht zu werden. Seien wir wachsam und erinneren wir uns:

Wir sind das Internet.

Wir haben die Macht des Konsumenten. Where do you want to go tomorrow?

Mittwoch, 11. Januar 2012

Das Trauerspiel geht weiter

Ich kann einfach nicht dran vorbeisehen.

In einem Forum über Rechtschreibung fand ich folgenden Satz von dem Kommentator Alexander Trust:
“Die Regelwerke haben sich immer der Sprache angepasst und nur selten ist der umgekehrte Weg begangen worden.”

Mit dem umgekehrten Weg haben wir es allerdings seit der unseligen Reform zu tun. Eine Gruppe von Ministern hat beschlossen, dass Schreibungen neuen Regeln folgen, sie hatten versprochen, es werde sich wirklich nur etwas für die Schreibung ändern, nicht aber für die Sprache.
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die neuen Regeln haben so viel Verwirrung gestiftet, dass ein kompletter Block unserer Sprache abzubrechen droht, der als sprachliches Gestaltungsmittel große Bedeutung hat: Die Getrennt-/Zusammenschreibung. Dies ist ein Bedeutungsträger, der durch nichts anderes ersetzt werden kann. Es ist ein großer Verlust für die Sprache.

Beispiel: “Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüberlaufen.”
Der Duden schreibt zusammen, das Volk trennt alles mögliche, was in ähnlicher Weise zusammengesetzt wird.
“Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüber laufen.”
Niemand überprüft seine Schreibung durch lautes Vorlesen des Geschriebenen, denn dann würde klar werden, dass “laufen” einen zu starken Ton bekommt. Aber da ist irgendwann das Signal ergangen, dass viele früher in einem Wort geschriebenen Begriffe jetzt auseinandergerissen werden dürfen, ist ja auch bequemer, darum erlebt man jetzt die gruseligsten Frakturen.

In spätestens einer Generation wird die Betonung vergessen sein. Damit verschwindet ein ganzer Katalog von Verben aus der Sprache, die das Deutsche früher so plastisch und bildhaft gemacht haben.
"Wir sollten uns noch mal zusammensetzen."
"Wir sollten uns noch mal zusammen setzen." Wird da eine Übung im synchronen Hinsetzen geplant? :-))

Wenn ich den oben zitierten Satz von Trust weiterführe, ist es auch nicht wünschenswert, durch Regeländerungen in die Sprache einzugreifen. Der Schaden, der durch die Reform angerichtet wurde — und zwar mittelbar, durch Imitation und Vermutungen, nicht durch strikte Anwendung –, ist enorm. Man kann sagen, das sei ja nicht die Schuld der neuen Regeln. Aber wer schlägt schon alles nach, was er schreibt, vor allem im flotten Tempo der Internet-Kommunikation? Da versuchen die meisten eher, von den Eckwerten abzuleiten.
Hier wurden Signalfahnen mit verhängnisvoller Wirkung gesetzt, auch wenn das nicht Absicht war.