Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Harter Tobak hat ihren Preis

Wieder einmal muß ich die Sprache geißeln. "Das ist harter Tobak" bürgert sich im Sprachgebrauch ein. Eine Analogie zum "starken Stück".
Bislang sprach man von "starkem Tobak", wenn man eine Dreistigkeit geißelte. Ein Bubenstück, wie man früher sagte. Das ist auch sinnvoll (nein, nicht "es macht Sinn"), denn der Rauchgenuß hat wohl mit der Wirkung des Tabaks zu tun, weniger aber, ob er hart ist. Hart wird er vom langen Liegen, und meines Wissens büßt er dann die Stärke ein und wird krümelig.
Rauchen läßt er sich allerdings auch dann.

"Eine solche Qualität hat seinen Preis", so oder ähnlich hört man es schon öfter. Moment: Wessen Preis? Des Herstellers?
"Eine solche Qualität hat ihren Preis" heißt es und nicht anders. Denn das Objekt bezieht sich ganz direkt auf das Subjekt und hat daher das gleiche Genus. Dennoch wird dieser Fehler ständig abgekupfert. Wer betätigt sich da so fleißig als Sprachverderber?

Es ist tragisch, wie rasch und gründlich Deutschfehler kolportiert werden. Hat man ihn einmal gehört, wieselt er sich langsam in alle Medien hoch und endet in den Filmberichten der Tagesschau, die ich bislang für den Hort des guten Deutsch hielt.
Aber die falschen Relativsätze, die ich schon früher analysiert habe, werden langsam unausrottbar

Ähnlich der Mund-zu-Mund-Propaganda schleicht sich ein:
"Sie las den Gästen alle Wünsche von den Lippen ab."
Haha! Wenn die Wünsche auf den Lippen sind, muß die Gastgeberin sie nur ablesen, wenn sie gehörlos sein sollte. Alle anderen beweisen ihr Talent für den Service, indem sie sie von den Augen ablesen. Das erfordert die gepriesene Aufmerksamkeit.

Es ist ja möglich, daß Wörter und Redensarten mit der Zeit einfach in Vergessenheit geraten oder daß ihr Gebrauch sich verändert. Was mich aber regelmäßig auf die Barrikaden treibt, ist die offensichtliche Unlogik, die doch eigentlich schon in dem Moment, wo der Sprecher den Satz ausspricht oder hinschreibt, offen zutage tritt. Warum wird ein solcher Denkfehler nicht sofort ausradiert?
Haben die Menschen im Osten zwangsläufig so viel Unsinn nachplappern müssen, daß sie über die Folgerichtigkeit ihrer Sätze nachzudenken aufgehört haben? Tragischerweise beobachte ich diese Exempel der Unlogik fast ausschließlich seit der Wende, oder täusche ich mich und muß mich entschuldigen?
Wenn meine Beobachtung aber richtig ist, so zeigt sich in dieser kleinen und unwichtigen Veränderung, daß es einen Nachholebedarf (ostsprech) an Ehrlichkeit und Selbstkritik gibt. Und das ist nicht die Schuld der Sprecher, sondern eines Regimes, das seinem Volk die Unlogik/Lebenslüge aufgezwungen hat.

2 Kommentare:

  1. Mir wird ein wenig bange, wenn ich an meine eigene Sprachproduktion denke, in (oder auf?) meinem Blog ... Wahrscheinlich passiert mir da bei jedem Artikel wenigstens ein sprachlicher Lapsus, wie du ihn hier geißelst.

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  2. Ausgrechnet der SPIEGEL verdirbt uns schon seit Jahrzehnten*: "Macht Sinn" z.B. wird dort spätestens seit Anfang der Achtziger wortgetreu, aber sinnfremd aus dem Englischen übersetzt.

    Nachzulesen auch in Enzensberger: "Die Sprache des Spiegel", 1957.

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