Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Donnerstag, 12. August 2010

Warum ich die "alte" Rechtschreibung benutze

Die sogenannte neue Rechtschreibung ist in Wirklichkeit ein Rückgriff auf vieles, was schon überwunden war. Wer Texte aus der Goethezeit oder aus dem 19. Jh. liest, der findet so manches, was die "neue" Rechtschreibung zurückgeholt hat, nachdem die Schreibweisen des 20. Jahrhunderts bereits eine größere Eleganz hereingebracht hatten. Man schrieb vor der Reform vermehrt klein statt groß und dachte sogar an eine durchgehende Kleinschreibung nach, die allerdings nicht durchgesetzt werden konnte. Dem gegenüber wirkt die "neue" Schreibung mit ihren vermehrten Großschreibungen wie "auf dem Laufenden bleiben" barock und unflexibel.
Warum wurde diese Unterscheidung zwischen dem laufenden und dem Laufenden, zwischen Tagesaktualität und dem Läufer, aufgegeben?
Die Regel lautet, daß bei abstrakten Begriffen und übertragener Bedeutung klein zu schreiben ist.
Die Väter und Mütter der neuen Rechtschreibung konnten damit nichts anfangen. Sie kennen die Idee der übertragenen Bedeutung nicht -- oder wollen sie nicht kennen.

Hinzu kamen weitere Dummheiten wie das Startsignal zur allumfassenden Getrenntschreibung. Das sollte allerdings nur bestimmte Begriffe betreffen, die in den Regeln aufgeführt sind.
Vergebliches Ansinnen! Die Menschen sehen ebenso wenig darin nach, wie sie in der Bibel lesen, bevor sie Sex haben. Wenigstens die meisten. "Die Meisten", müßte ich ja jetzt schreiben.
Die Menschen nehmen ein Signal auf -- "man schreibt jetzt alles getrennt" und überraschen uns mit dem unglaublichsten Hackfleisch. "Ich kann mir vor stellen, man sollte sich über legen..." Solche Beispiele finden wir seitdem auf Schritt und Tritt.
"Die Kanzlerin versprach, man werde daraufhin arbeiten, das Urteil zügig umzusetzen."
Darauf hinarbeiten war gemeint.
Ein Freudscher Verschreiber.

Die Reformer versprachen, die Sprache werde sich nicht ändern, nur die Schreibung. Pustekuchen! Getrenntschreibung verändert auch die Betonung, und man hört die falschen Getrenntschreibungen schon oft genug in gesprochenen Texten.

Meine Entscheidung:

Ich bleibe stur beim "daß" und "muß".
Warum?
Nun, wer mir das austreiben wollte, der müßte erst einmal beweisen, daß er weiß, wann man dass und wann man das schreiben soll. Diese Unterscheidung geht nicht nur bei Forenpostings verloren, wo man die dramatischsten Zeugnisse des sprachlichen Niedergangs finden kann. Sie schleicht sich in immer höhere Levels von sprachlichen Veröffentlichungen ein. Sogar in seriösen Zeitungen und in Websites von Nachrichtenkanälen schleicht sich Unsicherheit ein.

Ich bleibe beim ß und lasse mich von der neuen Behauptung nicht beeindrucken, das ß sei ein phonetisches Zeichen, das für eine Längung des vorausgehenden Vokals steht.

Wie ist das ß überhaupt entstanden? Es ist eine Ligatur aus einem langen s, das wir heute gar nicht mehr gedruckt sehen, und einem runden Schluß-S. Dieses hatte seine Entsprechung auch in den "gotischen" Schriften bis ins 20. Jh., in der deutschen Schrift und im davon abgeleiteten Sütterlin. Hier zog man das Schluß-S aus gotischen Handschriften herzu, das ein wenig wie ein kleines Z aussieht, und bildete das ß aus dem langen S und dem kleinen Z. Daher nennen wir diesen Buchstaben, der ja eine Ligatur aus zweien ist, als "eszett".
Die italienische Renaissance druckte das ß aus Gründen des schönen Schriftbildes. Ein Doppel-S fand man halt uncharmanter als eine Ligatur wie ß. Darum liest man in den Schriften der Renaissance Wörter wie "maßimo" und "serenißima". In dem Maße, wie das lange S aus dem Gebrauch kam, verschwand diese Ligatur aus den romanischen Sprachen und erhielt sich dort, wo man weiter zwischen langem und Schluß-S unterschied: Im Deutschen.
Das Schluß-S wurde immer da verwendet, wo ein Wort endete. Das war ein wirkungsvolles Gliederungsmittel. Schloßkapelle, Flußübergang, Stoßabdämpfung, ein ß erleichtert das Lesen, indem es eine Pseudopause in das Wort schiebt, wie man sie heute von Namen kennt, die in einem Wort, aber mittendrin groß geschrieben werden. iPhone oder iphone: Die Großschreibung in der Mitte klärt. Die gleiche Funktion hatte das ß.
Die Umbuchung auf eine andere Aufgabe, nämlich als Aussprache-Signal, ist historisch falsch und täuscht über die wahre Natur des ß als Doppel-S hinweg.

WIR FERTIGEN ALLE KOSTÜME NACH IHREN MASSEN
Korrekt ist es, in einer Reihe von Versalbuchstaben kein ß zu setzen, sondern es als Doppel-S aufzulösen. Ein älteres Layout-Programm tat das noch.
Wenn Mißverständnisse drohen, kann man ja zur gemischten Satzweise zurückkehren.
Versalreihen lesen sich ohnehin schwerer.

Eine Etablierung des ß als Großbuchstabe ist daher vollends Unfug.

1 Kommentar:

  1. Ich vermisse am meisten das "Dreierlesess" und ich bleibe auch dabei - leider habe ich keines auf meinem keybord!
    Und es ist wirklich ganz schlimm mit dem richtigen Schreiben in Deutsch und auch mit dem richtigen Sprechen - viele Fehler z.B. in den Blogs und so oft falsches Sprechen sogar in den Nachrichten - sehr schade!

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