Ein Auszug aus einem Aufsatz über Autismus als Reaktion eines überaktiven Gehirns auf Reizüberflutung
Übersetzung des Artikels vom 21.12.2010 ab der Stelle:
Progression and Treatment According to the Intense World Theory
Ich verzichte auf die wissenschaftlichen Kapitel im Hauptteil der Abhandlung, in erster Linie aus Unkenntnis der Biochemie. Die Rolle von Glutamat und Glutamin in der Gehirnchemie mag ein Kompetenterer beleuchten. Ich konzentriere mich auf die für Eltern und Erzieher wichtigen Schlussfolgerungen, die aus diesem ca. 10 Jahre alten Forschungsansatz hervorgehen.
Hier nun der übersetzte Text, für dessen Richtigkeit ich keine Gewähr leisten kann:
Fortschreiten und Behandlung, entsprechend der "Intensive-Welt"-Theorie
Die zentralen Hypothesen der "Intensive-Welt"-Theorie basieren auf dem Zusammenspiel der Daten vom VPA-Modell aus Rattenversuchen des Autismus ebenso wie auf Daten und Beobachtungen, die in der Literatur über den Autismus beim Menschen gesammelt wurden. Also solche müssen die zentralen Hypothesen der Hyper-Reaktivität und der Hyperplastizität auf der neurophysiologischen Ebene ebenso wie die Hyper-Wahrnehmung, Hyper-Aufmerksamkeit, Hyper-Gedächtnis und Hyper-Emotionalität auf der psychologischen Ebene in der Systematik und in kontrollierten Experimenten an menschlichen Versuchspersonen mit Substanz gefüllt werden. Folglich ist es nur vorausschauend, die Vorhersagen auf die Entwicklung im Autismus ebenso mit großer Vorsicht aufzunehmen, als auch Vorsicht walten zu lassen, bis solche kontrollierten Versuche durchgeführt sind. Jedenfalls zeigt es sich, dass viele oder sogar alle Behauptungen der "Intensive-Welt"-Theorie gültig sind, die Auswirkungen für die Entwicklung ebenso wie die Behandlung des/den Umgang mit Autismus weitreichend und im Fall von Behandlung sogar entgegengesetzt den bestgemeinten elterlichen und professionellen Stragegien sind und daher eine Diskussion wert sind.
Die "Intensive-Welt"-Theorie schlägt vor, dass es eine spezielle Form der Gehirn-Überentwicklung gibt, die durch epigenetische Störung hervorgerufen wurde, die verursacht, dass das Gehirn übermäßig auf seine Umgebung reagiert. Die übermäßige Reaktionsbereitschaft und rapide Bildung von Erinnerungen nach Erfahrungen, gesteigert durch eine emotionale Komponente, kann eine Reifung des Gehirns anstoßen, in der die Umgebung als schmerzhaft intensiv erfahren wird.
Die Intensität der Verarbeitung der Reize auf niederer Ebene kann so überwältigend werden, dass der Autist bestimmte Elemente, die er/sie negativ assoziiert, bewusst meidet, um sich auf grundlegende Bereiche zu konzentrieren, die er/sie positiv assoziiert. Wegen kraftvoller und andauernder Erinnerungen ist jede Erfahrung dazu geeignet, das autistische Kind systematisch in eine Welt hineinzutreiben, die abgesichert ist dadurch, dass nur positiv assoziierte Stimuli eingelassen und jegliche Überraschungen ausgeschlossen werden. Da neue Informationen notwendigerweise überraschend sein müssen, können Autisten sehr schnell gegen Rehabilitation resistent werden. Wenn die Intensität zu früh den Höhepunkt erreicht und die Abschottung ausgelöst wird, kann es sein, dass der Autist nicht lernt, elementare Informationen in höhere Ordnungsstrukturen einzubinden, die für das abstrakte Denken und den Spracherwerb gebraucht werden. Angetrieben von der "Intensiven Welt" schreitet das autistische Gehirn funktional weiter fort, um, stark fragmentiert, Inseln von gesteigerter Verarbeitung zu entwickeln, die in willkürlicher Weise Prioritäten setzen und wo Aufgaben außergewöhnlich gut ausgeführt werden.
Die Plastizität, die dem folgt, kann irreversible Strukturveränderungen und eine Fragmentierung des Gehirns schaffen. Die Aussicht ist, dass sich dies in einer mit Sinneseindrücken angereicherten und dynamisch sich wandelnden Welt verschlimmern wird. Es ist auch wahrscheinlich, dass es den Fortschritt der Störung beschleunigen wird, wenn eine angereicherte Umgebung bereitgestellt und ein Lehrprogramm auf Basis von Anordnungen sowie ein aggressives Reha-Programm stattfinden.
Die Diagnose fällt besser aus, wenn sensorische Eindrücke gefiltert, emotionale Extreme ferngehalten, Überraschungen ausgefiltert werden; pharmakologisch, wenn die sensorische Reaktivität und die Bildung von Erinnerungen unterdrückt werden. Die Störung könnte sogar vermieden werden, wenn die Intervention beginnt, bevor die "Intensive-Welt"-Reaktion ausgelöst wird, also vor der kritischen Phase der Gehirnentwicklung. Kritische Phasen vollziehen sich dann, wenn die Architektur der Schaltkreise des Gehirns sich festigt, und stufenweises Ausgesetztsein einer normalen Welt gegenüber hätte dann nicht solche feindlichen Auswirkungen. Es kann also eine Zeit der Prävention vor dem Autismus geben. Nach diesem Zeitpunkt wird es schwieriger, hyperfunktionale Kreisschlüsse zu reparieren, aber durch das Lern- und Erinnerungspotential kann ein Reha-Programm, das auf Auslöschung beruht, Wirkung haben.
Verhaltenstherapie, die der "Intensive-Welt"-Theorie entspricht, wird vorgeschlagen als fokussiert auf das Ausfiltern der Extreme in der Intensität, was alle sensorischen und emotionalen Einflüsse betrifft, und ebenso wird Entspannung und progressive, systematische Desensibilisierung gegenüber dem Einbringen von Stimuli vorgeschlagen.
Der Vorschlag, der wahrscheinlich am stärksten der Intuition widerspricht und aus der "Intensive-Welt"-Theorie stammt, ist, das Kind mit einem weitestgehend überschaubaren und ruhigen Ambiente zu umgeben, das geschützt ist vor abrupten sensorischen und emotionalen Veränderungen und Überraschungen während der ersten Lebensjahre, um die sensorischen und von Emotion angetriebene Gehirnentwicklung zu verhindern. Das Kind sollte sanft und vorsichtig an neue Stimuli herangeführt werden, die beim kleinsten Zeichen von Irritation zurückgehalten werden können.
Die Anwendung eines responsiven Reha-Programms würde sichern, dass der Lehrer sorgfältig arbeitet, um zu vermeiden, dass Reaktionen des Widerwillens ausgelöst werden. Wenn Fremde eingeführt werden sollen, dann kontrolliert, kurz, indirekt und in so kleinen Schritten wie möglich.
(Es folgen Ausführungen über medikamentöse Behandlung, die ich hier überspringe und die auf Unterdrückung der Hypersensibilität und des Hyper-Gedächtnisses abzielen und die ich nicht im Einzelnen anführe, d.Übers.)
Kritische Perioden sind of irreversible Meilensteine, und die Störung wäre vermeidbar, wenn es gelänge, diese Marken zu passieren, ohne den Vorgang auszulösen, der das Kind weiter in eine Flucht in eine begrenzte, aber sichere Welt hineintreibt. Den Vorgang zurückzudrehen ist bei älteren Kindern und Erwachsenen schwieriger, aber die Abschwächung der Erinnerung und Reha-Programme, die auf Löschung beruhen, zugleich mit angsthemmenden und stressbekämpfenden Programmen, könnten den Vorgang teilweise rückgängig machen oder das Leiden lindern. Eine wichtige Überlegung in jeglichen Reha-Programmen, wie die "Intensive-Welt"-Theorie nahelegt, ist die Komplikation der Hyper-Emotionalität, die dem Beobachter gegenüber maskiert sein kann und die noch größere Vorsicht in der Behandlung des Autisten nahlegt/erfordert.
Strafen könnten verstärkt vom Autisten erfahren werden, sie bilden einen rigorosen Eindruck und werden bis in unendliche Zukunft eingeprägt.
Die Theorie der Intensiven Welt sagt voraus, daß alle Kinder mit Autismus eine überdurchschnittliche Gedächtnisleistung für die Bereiche erbringen, die aus der Sicht des Autisten nicht bedrohlich sind.
Autistische Kinder sind:
- ängstlicher,
- verallgemeinern Angsterlebnisse,
- verweigern die Bekämpfung der Angst,
- entwickeln verstärkte Vermeidungsstrategien gegenüber angstbesetzten Objekten,
- vermeiden daher verstärkt alle neuen Umgebungen, die ihnen erfahrungsgemäß Überraschungen bereiten können,
- zeigen im Verhalten unvorhersehbare, übertriebene, extreme und unangemessene Reaktionen auf überraschende Situationen.
- Angst
- Panik-Attacken und Phobien,
- Posttraumatisches Stress-Syndrom,
- Paranoia,
- Depression,
- Hyper-Emotionalität,
- mangelnde Flexibilität im Verhalten,
- Wiederholungshandlungen.
Die Theorie ist eben dies: Eine Theorie. Sie bedarf der Beweise und der Widerlegungsversuche. Sie ist aus der Neurobiologie entwickelt und ist bei weitem noch keine Erklärung der Ursachen von Autismus, aber sie bietet ein kohärentes mehrschichtiges Rahmenwerk für eine vollständige Erklärung.
Auf der Ebene der Neurobiologie bietet die "Intensive-Welt"-Theorie ein Modell der exzessiven Funktion von Schaltkreisen an, die die Symptome der Übererregbarkeit, Über-Plastizität und -- zusammengefasst -- Hyperfunktionalität verursacht.
Auf der Ebene der Wahrnehmung und kognitiven Funktionen führt diese Überfunktion der Schaltkreise möglicherweise zu einer intensiv wahrgenommenen Welt, die feindlich und stressig wird, wenn der Mandelkern und andere Teile des limbischen Systems mit einbezogen sind.
Im Gegensatz zu anderen, defizit-orientierten Theorien des Autismus beschreibt die "Intensive-Welt"-Theorie, dass erhöhte Hirnfunktion im Kern des Autismus liegen könnte. In diesem Licht gesehen, wäre es nicht die Ausnahme, wenn Autisten erhöhte Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistungen erbrächten, sondern die Regel. Es sind ja eben diese Fähigkeiten, die die Welt so intensiv und sogar feindlich machen und die zu den autistischen Symptomen von Rückzug und sozialer Vermeidung führen.
Dennoch: Während die erhöhte Hirnfunktion behindernd wirkt, ist der hoffnungsvolle Ausblick der "Intensive-Welt"-Theorie, dass die richtige Behandlungsstrategie, das autistische Kleinkind abzuschirmen und vor Überraschungen zu schützen, zugleich die Hirnfunktionen in der ersten Entwicklungsphase zu dämpfen, um zu verhindern, dass die Schaltkreise des Gehirns in eine irreversible Wandlungsphase eintreten, am Ende wahrlich befähigte und hochbegabte Individuen hervorbringen wird, die sich erfolgreich in ihr soziales Umfeld integrieren werden.
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