Warum kümmerst du dich um sowas?

Es fällt mir einfach schwer, zu manchem die Klappe zu halten. Von sprachlichen Schnitzern bis hin zu politischen Debatten. Also sammle ich, was mir so auffällt -- und eine Bemerkung verdient...

Dienstag, 16. August 2011

Mieten - kaufen - wohnen - beleidigen

Die tägliche Zumutung auf VOX

Ein Makler stellt gleich zu Anfang des Kennenlernens fest, daß seine Kundin zu groß ist -- trägt sie doch auch noch hohe Schuhe. Zu was zu groß? Ist das ein Date oder ein Geschäftstreffen? Ich hätte ihm gleich gesagt, machen Sie mit meinem Freund oder meinem Bruder einen Termin -- und wäre gegangen. Daß sie es nicht tut, erklärt sich ja leicht daraus, daß alle diese Szenen eingeübt sind. Damit wären wir bei dem täglichen Großbetrug dieser "Dokus", aber genug. Es geht noch weiter. Sie erzählt, sie lebe in einer WG mit drei Männern; seine Reaktion darauf: "Sie lassen aber auch nichts anbrennen." Geht es noch unverschämter? Jetzt wäre eine Klatsche angezeigt gewesen. Sie war natürlich darauf eingeschworen, kaum merklich zu reagieren, und auch hier endete das Verkaufsgespräch noch nicht.
Abgesehen, daß diese Szenen schlechtes Laientheater sind, was inzwischen jeder weiß -- dadurch, daß sie als Realität daherkommen, wirken sie als Vorbilder für Denk- und Verhaltensweisen, die nachgeahmt werden. Die Dreistigkeiten des Maklers bleiben ungestraft stehen, während diese junge Frau im realen Leben wahrscheinlich ganz anders geantwortet hätte, wenn ihr jemand auf diese Weise dumm gekommen wäre, mit "sag' mal, tickst du nicht richtig? Denkst du, ich treib's mit jedem?" und die Alternative wäre das übliche Geprolle gewesen, von dem man ohnehin oft genug wegzappen muß.

Fazit: Der Zynismus der Macher solcher Sendungen hat inzwischen ein Niveau erreicht, wo sie sich hemmungslos aus der untersten Schublade des Sexismus bedienen. Möglicherweise merken die Script-Autoren solcher Sendungen es nicht einmal mehr. Täten sie es, sie würden -- oder sollten -- sich schämen.

Dienstag, 14. Juni 2011

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Brötchen holen, bekommen sie aber nur, wenn Sie dem Club des Bäckers beitreten.

Wird das Internet mehr und mehr zu einem Clubsystem?
Ich werde hier und da in Communities eingeladen -- nein, das sind keine Einladungen, das sind Forderungen. Ich bekomme nur Zugang, wenn ich mich registriere. Persönliche Daten als Eintrittskarte.

Diese Entwicklung stinkt mir. Sie nennen es wohl Web2.0. Allein diese Bezeichnung unterstellt etwas, was dem Internet eigentlich fremd sein müßte. Es gibt nicht "einen Entwickler" des Internets. Es gibt zwar Standards, aber sie sind nicht zwingend; wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert lediglich, daß weniger Benutzer seine Seiten sehen können. Das erzieht.

Darum liebe ich das Bloggen und will in dieser Welt umherwandern. Das ist wie Wandern in der freien Natur, wo es das Recht auf den Weg gibt. Kein Bitten um Einlaß, niemand fragt uns, wer wir sind, wir stellen uns Fremden freiwillig vor oder auch nicht.
Das Internet ist für die Menschen in China, Ägypten, Tunesien und in vielen anderen Ländern eine wichtige Waffe im Kampf um Freiheit -- und wir geben den unregistrierten Zugang ohne Not auf?
Wir sollten wachsam sein, wo es Versuche gibt, unsere Freiheit zu beschneiden.

Ich trete keiner Community bei, die eine Mitgliedschaft für das reine Lesen verlangt (klar, ich bin ein Mitglied von Blogger/Google, aber Sie können meinen Blog lesen und kommentieren, ohne sich registrieren zu müssen!)
Helfen Sie mit, das Internet gegen Einschränkungen zu verteidigen. Es muß ein freies Land bleiben.

In Sachen Facebook bin ich allerdings abtrünnig geworden. Ich habe meinen Vorsatz gebrochen.
Man kommt einfach nicht dran vorbei.

Donnerstag, 17. März 2011

Wie man mit der Katastrophe umgeht

Es ist eingetreten, was immer als unmöglich galt. Und unsere Trauer gilt allen Opfern, unser Mitgefühl und unser Respekt denen, die sich gerade opfern.

Das ist eine Tragödie, und niemand freut sich, wenn seine Prophezeihung in Erfüllung gegangen ist. Häßlich ist aber das Gezappel, das jetzt bei denen einsetzt, für die Canossa eigentlich in Nordjapan liegen müßte, für alle, die das für unmöglich hielten, was jetzt passiert.

Besonders häßlich ist es, wenn eine Frau Homburger von den Liberalen das Wort "Gegengesellschaft" für Rot-Grün verwendet. Das Wort "Gegengesellschaft" ist wohl kaum anzuwenden auf einen Teil der Gesellschaft, der sich ebenfalls auf eine demokratische Legitimation stützt.

Und noch häßlicher ist es, wenn die Regierungsparteien die Äußerungen der Opposition abwehren, indem sie schreien, die rot-grüne Regierung hätte ja auch schon alles abschalten können. Das paßt wirklich nicht zu den Versuchen, die Laufzeiten doch noch über eine dreimonatige Schnellprüfung zu retten.

Alle Risiken ausschließen? Wir sollten aufhören, die Risiko-Kalkulation auf denkbare Risiken stützen zu wollen. Bei jedem GAU sind die Betreiber überrascht worden. Die real eingetretenen Schadensfälle beruhten auf unkalkulierbaren Umständen, zum Beispiel gleichzeitig eintretenden Ereignissen, die man bisher nur einzeln kalkuliert hat. Es können auch Ereignisse eintreten, an die wir jetzt alle noch nicht denken.

Wahrscheinlichkeiten jedenfalls berechnen Menschen immer wieder völlig falsch.

Dienstag, 1. März 2011

Wahl in Hamburg — die große Ratlosigkeit

Die Wahlen in Hamburg glänzten durch eine sehr niedrige Wahlbeteiligung. Sie sinkt stetig — hätte nicht das neue Wahlrecht endlich Engagement wecken müssen? Fördern nicht die neuen Möglichkeiten die Lust am Mitwirken durch den Bürger?
Die erfreuliche Seite des geänderten Wahlgesetzes ist zwar, dass ich nun auch hinten plazierten Parteisoldaten meine Stimme geben kann, ohne mich an die Hitliste der Partei zu halten. Diese Freiheit hat aber einen hohen Preis. Jetzt aber wird es kompliziert: Ich finde die Kandidaten meiner Wahl nur schwer in den langen Listen wieder — vier verschiedene Stimmhefte in A4, was für ein Berg Papier! — und das Wählen hält mich sehr lange in der Kabine fest.
Am problematischsten aber — und das ist nicht die Schuld des Wahlgesetzes! — ist die Unmöglichkeit, sich vorher im Internet über die Kandidaten und ihre Themenschwerpunkte zu informieren. Nur die Linke stellt ihre Kandidaten auf der Website einigermaßen gescheit vor: Ein Foto, eine kurze Erklärung zu den Kernkompetenzen.
Da wünscht man sich eine digitale Wahlmöglichkeit. Laptops mit Intranet in der Wahlkabine, Listen mit Kandidatenbildern und Hauptaussage in kurzer Form; hier könnte man auch durch Hinweise verhindern, dass zuviele Kandidaten angekreuzt werden — bei 5 Stimmen auf mehreren Seiten verzählt man sich auch leicht.
Wählen nach Augenschein und Sympathie — eine Horrorvorstellung? Bitte keine Illusionen: Das tun wir sowieso. Ein wenig mehr Inhalte könnten so sogar besser transportiert werden als bei der gegenwärtigen Lage.

Diesen Text habe ich bereits als Kommentar in Carta eingestellt.

Samstag, 22. Januar 2011

Deutsch im freien Fall -- neue Folge

kennt wer von äuch seiten wo man themes downloaden kann?

Autsch. Das sollte "euch" heißen.
Das hat die deutsche Sprache nun von ihrer aufwändigen Reform. Solche und ähnliche Gämsen habe ich schon mehrfach gefunden. Läuchten oder läugnen, wenn ich mich recht erinnere. Man sollte das sammeln und den Urhebern -- nicht den Schreibern! Den Reformern! -- um die Ohren klatschen.

Freitag, 31. Dezember 2010

ß

Das ß ist kein Buchstabe, sondern eine Ligatur, nämlich die Verbindung von langem S und rundem Schluß-S. Daher ist dieses Zeichen nur sinnvoll in einer gemischten Schreibung von Groß- und Kleinbuchstaben. Es hatte die Aufgabe, den Schluß eines ganzen Wortes oder eines Teilwortes zu signalisieren, wie z.B. Flußbiegung. Damit trug er vor allem noch in der Verwendung von Fraktur zu besserer Lesbarkeit bei.
In der italienischen Renaissance wurde es verwendet, weil es als schöner galt, wenn man "maßimo" oder "serenißima" schrieb. Das wurde damals wirklich getan! Mit dem Verschwinden des langen S wurde diese Ligatur überflüssig und ist mit unzähligen anderen nach und nach aus den Setzkästen geflogen.
Es ist die unerklärliche Erfindung der Rechtschreib-Komission, das ß zum Signalgeber für lange Vokale zu erklären. Das gab es schon, aber es war ein nicht in ganz Deutschland so angewendetes Einzelphänomen. Es gilt auch nicht für Versalreihen, denn da schrieb man immer schon: "SCHNEIDEREI FÜR GROSSE MASSE", auch wenn das mißverständlich ist. Bis zur Reform war es selbstverständlich, daß man einen Vokal vor einem Doppel-S durchaus auch lang sprechen kann und einen Vokal vor einem ß auch kurz: das Roß, der Stoss. Es war bekannt, daß es eine andere Funktion hatte, die mit Phonetik nichts zu tun hat.
Inzwischen ist diese falsche Weichenstellung bis zu dem Punkt gediehen, daß man "genißt" geschrieben sehen kann: Wenn das ß einen langen Vokal anzeigt, kann man ja ruhig das Dehnungs-e weglassen...
Die Schweiz hat das ß konsequenterweise getilgt und besitzt immer noch eine Schriftsprache, die Kultur ist nicht zusammengebrochen. Es ist zwar ein schönes Zeichen, das der Schriftgestalter Zapf in der Palatino so gezeichnet hat, daß man seine Herkunft immer noch sehen kann. Wegen des Schindluders, das in den letzten 13 Jahren mit dem ß getrieben wird, und wegen der Kluft, die es zwischen dem Deutschen und anderen Sprachen errichtet, plädiere ich jedoch dafür, es wie in der Schweiz stillzulegen.

Daß man die Umlaute in die Domain-Zeichenparade aufgenommen hat, erklärt sich auch aus der Tatsache, daß es einige andere Sprachen gibt, die ebenfalls Umlaute verwenden, ich nenne nur Finnisch, Estnisch und Türkisch. Gerade beim Türkischen ist die Transkription in ue, ae, oe keine Option, und es könnte auch andere Sprachen geben, in denen das zu Komplikationen führt, es handelt sich also nicht um eine Extrawurst für Deutschland, was aber die Pflege des ß schon wäre, denn außer 2 von 3 deutschsprachigen Ländern verwendet es kein Land mehr. Es ist auch international kein scharfes S, denn in fast allen Sprachen außerhalb des deutschen Sprachraums ist das S ein scharfes S; das weiche S wird durch Z ausgedrückt.

Umlaute, die zu großen Ligaturen verschmolzen wurden, wie AE im Dänischen, bilden keinen Fremdkörper im Zeichensatz, weil sie aus Großbuchstaben entstanden sind.